„In gewisser Weise könnte man sagen, dass der Ziegelstein der globalste und zugleich demokratischste Baustoff der Welt ist.“ Dieses Zitat stammt aus einem Interview mit John Lin anlässlich der Verleihung des Wienerberger Brick Award 2014. Der amerikanische Architekt mit taiwanesischen Wurzeln und einem Büro in Hongkong erhielt den Preis für das Wohnhaus „a house for all seasons“, das er in der chinesischen Provinz Shaanxi baute.
Vor dem Hintergrund eines ländlichen Fachkräftemangels und dem Verblassen traditioneller Baukunst wollte Lin den modernen und nachhaltigen Prototyp eines traditionellen chinesischen Hauses mit Hof unter Verwendung örtlichen Wissens und örtlichen Materialien umsetzen.
Einen ähnlichen Anspruch erfüllt die Sra Pou Vocational School in Kambodscha, die 2011 nach Plänen der finnischen Rudanko + Kankkunen Architekten entstanden ist. Das Bauwerk ist einerseits ein Beitrag zur infrastrukturellen Ausstattung der Region und andererseits ein BestPractice-Beispiel für günstiges und funktionales Bauen für die ansässige Bevölkerung. Die ursprünglich aus einem Studentenprojekt hervorgegangene, zweigeschossige Berufsschule besteht aus sichtbaren, luftgetrockneten Lehmziegeln, die vor Ort hergestellt wurden. Kleine Öffnungen in der Fassade dienen der Belichtung und Belüftung, die raumhohen Öffnungen nach Süden können durch mit bunten Stoffen bespannte Schiebeelemente geschlossen werden. Ein durch ein Vordach beschatteter Vorplatz wurde ebenfalls mit Lehmziegeln befestigt, der Übergang von innen nach außen ist fließend und das Gebäude wird eins mit seiner Umgebung.
Vor einem völlig anderen Hintergrund planten die Architekten des Bangkok Project Studio das Kantana Film and Animation Institute, eine Schule für angehende Filmemacher in Nakhon Pathom in Thailand: Aus ca. 600.000 handgefertigten gebrannten Ziegeln errichteten sie Wände, deren Querschnitt sowohl an der Außen- als auch an der Innenseite wellenförmig auseinanderund wieder zusammenläuft. Das Ergebnis sind skulpturale, stark horizontal gegliederte Mauern mit lebhaften Licht- und Schatteneffekten; Effekte, die auch im Filmwesen zentrale gestalterische Elemente sind. Darüber hinaus gewährleisten die dicken Mauern ein angenehmes Mikroklima sowie eine durch die Eigenbeschattung verstärkte Kühlung der Innenräume. Am beeindruckendsten ist neben den an historische Tempelanlagen erinnernden „bewegten Wänden“ aber wohl die Kombination der unüberschaubaren Vielfalt der einzelnen Ziegelsteine mit der Gesamtwirkung der Anlage.
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