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Inhalt

    Gebäudezertifizierung

    In den letzten Jahren ist ein zunehmendes Interesse an nachhaltigen Gebäuden im Allgemeinen, nach zertifizierten Gebäuden im Besonderen zu beobachten. Dabei steht meist die Frage im Vordergrund, wie die „Nachhaltigkeit eines Gebäudes“ und damit im weitesten Sinne auch die Qualität gemessen und der Öffentlichkeit gegenüber kommuniziert werden kann. Mit einem Zertifizierungssystem kann nicht nur die umfassende Qualität eines Gebäudes offengelegt werden, Gebäudezertifizierungssysteme dienen auch der Quantifizierung von Planungszielen im Sinne der Bewertungsphilosophie des jeweiligen Systems. Dabei besteht aber durchaus für den Auftraggeber bzw. den Investor die Möglichkeit, Prioritäten und Schwerpunkte in seinem Sinne zu setzen. Zielführend ist dies jedoch nur, wenn die Entscheidung, ein Gebäude zertifizieren zu lassen, am Beginn der Planungsphase bzw. besser im Rahmen der Projektentwicklungsphase getroffen wird.
    Mittlerweile gibt es weltweit eine nicht mehr überschaubare Vielfalt an Systemen, allein in Europa kommen eine ganze Reihe von Zertifizierungssystemen zur Anwendung, die sich in Details und Schwerpunktsetzungen zum Teil erheblich voneinander unterscheiden. Österreich leistet sich seit einigen Jahren mehrere im Wettbewerb zueinander stehende Systeme.
    Die einzelnen Bewertungssysteme unterscheiden sich durch Breite und Tiefgang, was meist aus den ursprünglich gesteckten Zielen resultiert. Im Vordergrund stehen fast immer der Energieverbrauch und die Effizienz im Umgang mit Energie. Auch hier hat es in den letzten Jahren eine qualitative Entwicklung gegeben, die von Vertiefung und Verbreiterung der Systeme gekennzeichnet ist. Waren vor wenigen Jahren „Green Buildings“ noch das Synonym für nachhaltige Gebäude, geht heute der Trend zu sogenannten „Blue Buildings“, die auch vielfach als Systeme der zweiten Generation bezeichnet werden und einen ganzheitlichen Ansatz bei gleichberechtigter Betrachtung aller drei Dimensionen der Nachhaltigkeit zugrunde legen.

    ÖGNI/DGNB

    Die Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen wurde 2007 von 16 Initiatoren aus den unterschiedlichsten Bereichen der Bau- und Immobilienwirtschaft sowie Wissenschaftern gegründet. Die Entwicklung des Systems wurde vom damaligen Bundesministerium für Verkehr-, Bau- und Stadtentwicklung (BMVBS) unterstützt und gefördert. Mittlerweile ist das sogenannte BNB-System für den gesamten Bundeshochbau verbindlich, das weitgehend identisch mit dem DGNB-System ist.

    2009 wurde die Österreichische Gesellschaft für nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI) gegründet, die das DGNB-System an österreichische Rahmenbedingungen (OIB-Richtlinien, Normen etc.) angepasst hat. Das Bewertungssystem basiert in seinem Aufbau und seiner Struktur auf dem europäischen Regelwerk des CEN/TC 350 und hat sich auch am „Leitfaden Nachhaltiges Bauen“ des BMVBS orientiert. Je nach Gebäudetyp stehen zahlreiche Nutzungsprofile zur Verfügung, von Büro- und Verwaltungsgebäuden über Handelsbauten bis zu Bildungsbauten, Hotelgebäuden oder Stadtquartieren. Die DGNB unterhält auch ein internationales Partnernetzwerk, deren Mitglieder vielfach auch Partner des WGBC (Word Green Building Council) sind.

    Das Bewertungskonzept geht von der gleichberechtigten Betrachtung aller drei Dimensionen der Nachhaltigkeit aus, wobei auch die technisch-funktionale Qualität sowie die Prozessqualität Eingang in die Bewertung finden. Die Qualität des Standorts wird getrennt ausgewiesen, geht jedoch nicht in die Gebäudebewertung ein. Abbildung 8-16 zeigt die Struktur des Systems, Abbildung 8-17 die einzelnen Bewertungskriterien („Steckbriefe“) in Rahmen der genannten Bewertungsstruktur.

     

    Struktur des Bewertungssystems der DGNB/ÖGNI
    Abbildung 8-16: Struktur des Bewertungssystems der DGNB/ÖGNI

     

    Kriterien („Steckbriefe“) des Bewertungssystems der DGNB/ÖGNI
    Tabelle 8-12: Kriterien („Steckbriefe“) des Bewertungssystems der DGNB/ÖGNI

     

    Kriterien („Steckbriefe“) des Bewertungssystems der DGNB/ÖGNI (Fortsetzung)
    Tabelle 8-12: Kriterien („Steckbriefe“) des Bewertungssystems der DGNB/ÖGNI (Fortsetzung)

     

    Kriterien („Steckbriefe“) des Bewertungssystems der DGNB/ÖGNI (Fortsetzung)
    Tabelle 8-12: Kriterien („Steckbriefe“) des Bewertungssystems der DGNB/ÖGNI (Fortsetzung)

     

    Kriterien („Steckbriefe“) des Bewertungssystems der DGNB/ÖGNI (Fortsetzung)
    Tabelle 8-12: Kriterien („Steckbriefe“) des Bewertungssystems der DGNB/ÖGNI (Fortsetzung)

     

    Die Bewertung erfolgt in drei Klassen: Gold (ab 80 % Zielerreichung), Silber (ab 65 %) und Bronze (ab 50 %). Die Zielerreichungsgrade werden im Abschlussbericht des Auditors in Form eines Kreisdiagramms dargestellt:

     

    ÖGNI/DGNB-Bewertungsgrafik
    Abbildung 8-17: ÖGNI/DGNB-Bewertungsgrafik

    TQB

    Die Gründungsinstitute der ÖGNB sind verantwortlich für die Entwicklung und erfolgreiche Anwendung folgender Bewertungsverfahren bei insgesamt mehr als 300 Objekten in Österreich:

    • TQB 2002
    • IBO Ökopass
    • klima:aktiv Gebäudestandard, darauf basierend
    • TQB 2010


    Das Gebäudebewertungssystem TQB geht in seiner Grundkonzeption auf den „Green Building Challenge“ Mitte der 1990er Jahre zurück, die Trägerorganisation des aktuellen Systems ist die Österreichische Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (ÖGNB), die 2009 gegründet wurde.

    Das nunmehrige System TQB – Total Quality Building wurde 2002 erstmals veröffentlicht und umfasste damals neun Kategorien zur Bewertung der sozialen wirtschaftlichen und ökologischen Qualität von Gebäuden. In die nunmehrige Version sind auch Aspekte des IBO-Ökopasses eingeflossen, ebenso gibt es Parallelen zum weiter unten erläuterten klima:aktiv-Konzept.

    Es werden insgesamt 1000 Punkte vergeben, wobei folgende Struktur dem Bewertungssystem zugrunde liegt:

     

    Struktur des Bewertungssystems TQB
    Abbildung 8-13: Struktur des Bewertungssystems TQB

     

    Die Ergebnisse werden in Form einer Punktbewertung für die einzelnen Hauptkategorien dargestellt.

    klima:aktiv

    Dieses Selbstdeklarationssystem geht auf die Klimaschutzinitiative des BMLFUW (Lebensministerium) zurück und wird von der Österr. Energie-Agentur getragen, der Schwerpunkt liegt auf klimaschonenden und energieeffizienten Bauweisen. Damit stellt es auch nicht den Anspruch einer ganzheitlichen Bewertung über den gesamten Lebenszyklus.

    Die Bewertung erfolgt in vier Hauptkategorien, wobei „Energie und Versorgung“ entsprechend den Zielen der Klimaschutzinitiative mit 600 von 1000 Punkten am stärksten gewichtet sind. Die abschließende Bewertung erfolgt in den Stufen Gold, Silber und Bronze. Je nach Gebäudetyp stehen mehrere Kriterienkataloge für die einzelnen Nutzungsarten zur Verfügung.

     

    Kriterien-Aufteilung für die Nutzungsart Wohnbau
    Abbildung 8-18: Kriterien-Aufteilung für die Nutzungsart Wohnbau

     

    Gewichtung der klima:aktiv-Kriterien (vereinfacht)
    Tabelle 8-14: Gewichtung der klima:aktiv-Kriterien - Neubau und Sanierung (2017)

     

    BREEAM

    BREEAM wurde Ende der 1980er Jahre in GB vom BRE entwickelt und stellt unter den Zertifizierungssystemen wohl das älteste dar. Es gibt zahlreiche Systemvarianten entsprechend der Nutzungsart der Gebäude wie Wohnhäuser, Bürogebäude, Schulen, Einfamilienhäuser etc. Die Bewertung erfolgt getrennt in neun Kategorien gemäß Abbildung 8-19. Die abschließende Einstufung erfolgt in folgenden Klassen:

    herausragend - exzellent – sehr gut – gut – befriedigend – ausreichend – nicht klassifiziert

    BREEAM versucht dieses System auch in anderen Ländern zu etablieren und unterhält Partnerorganisationen in verschiedenen Ländern.

     

    Bewertungskategorien des Bewertungssystems BREEAM
    Abbildung 8-19: Bewertungskategorien des Bewertungssystems BREEAM

     

    LEED

    LEED ist ein US-amerikanisches Bewertungssystem, dessen Entwicklung bis 1993 zurückreicht. Der Schwerpunkt der Bewertung liegt bei der Einhaltung energetischer und ökologischer Grundsätze, das System ist noch mehr als BREEAM auch außerhalb des Ursprungslandes weltweit verbreitet, obwohl es nicht zuletzt im Hinblick auf die zugrunde gelegten Normen primär auf USamerikanische Anwendung ausgerichtet ist. Die Bewertung erfolgt je nach Gebäudetyp in sechs verschiedenen Systemvarianten, die Bewertung selbst in sechs verschiedenen Kategorien gemäß Abbildung 8-20. Die Klassifizierung der Gesamtbewertung erfolgt in vier Stufen: Platin, Gold, Silber und Bronze.

     

    Bewertungskategorien des Bewertungssystems LEED
    Abbildung 8-20: Bewertungskategorien des Bewertungssystems LEED

     

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