Die Einwirkungen auf Mauerwerksbauten resultieren hauptsächlich aus den Eigengewichten der Bauteile und den Nutzlasten in den jeweiligen Geschoßen. Ergänzt werden diese Beanspruchungen noch durch äußere Einwirkungen wie Wind, Schnee, Temperatur, Erddruck im Kellerbereich und außergewöhnliche Einwirkungen sowie in Abhängigkeit von der geografischen Lage auch Erdbebenkräfte.
Die diese Lastansätze enthaltenden Normen sind hauptsächlich der Eurocode 1, Eurocode 7 und Eurocode 8, die Überlagerungen einzelner Einwirkungen sind in der ÖNORM EN 1990 geregelt.
Eigengewichtslasten
Das Eigengewicht als ständige Last resultiert aus den Eigenlasten der Baustoffe und Bauteile. Es kann aus der ÖNORM B 1991-1-1 entnommen bzw. nach dieser ermittelt werden. Das Eigengewicht von Bauwerken umfasst das Tragwerk und alle nichttragenden Bauteile einschließlich eingebauter Ver- und Entsorgungsleitungen sowie das Gewicht von Aufschüttungen und Fußböden. Als nichttragende Bauteile nach EN 1991-1-1 werden Dachabdeckungen, Oberflächenbeschichtungen, ortsfeste Zwischenwände und Ausfütterungen, Handläufe und Geländer, Fassaden- und Wandbekleidungen, untergehängte Decken, Abdichtungen sowie ortsfeste Versorgungseinrichtungen angesehen. Lasten aus versetzbaren Trennwänden sind als Nutzlasten zu behandeln.
Die Tabelle 6-11, Tabelle 6-12 und Tabelle 6-13 enthält Auszüge aus den Eigengewichtslasten nach ÖNORM B 1991-1-1, die als charakteristische Werte anzusehen sind.
Nutzlasten
Im Allgemeinen sind Nutzlasten Einwirkungen, die sich nach Größe und Zeit verändern können. Für die Bauwerksbemessung müssen deren Grenzwerte in ungünstigster Stellung angesetzt werden. Bei Treppen und Balkonen (Loggien) wird aus Sicherheitserwägungen eine höhere Nutzlast gefordert, da sie Zufluchtsorte (bei Katastrophenfällen) sind oder Menschenkonzentrationen aus Anlass bestimmter Ereignisse vorkommen können.
Die belasteten Bauteile sind entsprechend ihrer Nutzung sowohl mit den Flächenlasten als auch Einzellasten an ungünstigster Stelle situiert zu bemessen, Flächen- und Einzellasten müssen dabei nicht überlagert werden. Sind Decken mehreren Nutzungskategorien zuzuordnen, so ist die jeweils ungünstigste für die Bemessung zugrunde zu legen.
Ist aufgrund der Deckenkonstruktion eine Querverteilung von Lasten möglich, darf das Eigengewicht versetzbarer Trennwände durch eine gleichförmig verteilte Flächenlast (diese gilt dann als Nutzlast) berücksichtigt werden, die in Abhängigkeit vom Eigenwicht der Trennwände festgelegt ist. Trennwände mit mehr als 3,0 kN/m Eigengewicht sind als ständige Last zu berücksichtigen.
Für die Dimensionierung von Stützen und Wänden, deren Belastung aus mehreren Stockwerken herrührt, darf die Nutzlast in den Geschoßen immer als gleichmäßig verteilt angenommen werden. Eine Abminderung der Nutzlasten ist für Stützen, Wände und Fundierungen, welche durch Lasten der Nutzungskategorien A bis D aus mehreren Stockwerken belastet sind, möglich. Der Abminderungsfaktor 𝛼n ist dabei abhängig von der Anzahl der darüber befindlichen Stockwerke und dem Kombinationsbeiwert ψ0 (Tabelle 6-35).
Windkräfte
Windeinwirkungen, die unter Verwendung von ÖNORM EN 1991-1-4 und ÖNORM B 1991-1-4 berechnet werden, sind charakteristische Werte, die mit der Basiswindgeschwindigkeit oder dem entsprechenden Geschwindigkeitsdruck bestimmt werden.
Der Grundwert der Basiswindgeschwindigkeit 𝑣b,0 ist die charakteristische mittlere 10-MinutenWindgeschwindigkeit, die unabhängig von Windrichtung und Jahreszeit, in 10 m Höhe über dem Boden, für ebenes, offenes Gelände mit niedriger Vegetation (Gelände der Kategorie II) anzusetzen ist. Statistisch besitzt diese Windbeanspruchung eine mittlere Wiederkehrperiode von 50 Jahren.
Aus dem Grundwert der Basiswindgeschwindigkeit 𝑣b,0 bzw. dem zugehörigen Referenzwert des Staudrucks qb,0 errechnet sich dann der für die Bemessungsansätze maßgebliche Böenstaudruck qb. In der ÖNORM B 1991-1-4 sind dafür Formeln in Abhängigkeit der Höhe z und der Geländeform enthalten.
Die genaue Ermittlung der Windkraft auf ein Bauwerk bzw. einen Wandabschnitt erfolgt dann nach ÖNORM EN 1991-1-4 und ÖNORM B 1991-1-4 unter Ansatz von Struktur- und Formbeiwerten in Abhängigkeit von der Bauwerksgeometrie.
Schneelasten
Schneelasten werden immer auf die horizontale Grundrissprojektion bezogen, sind sehr stark ortsgebunden und stellen eine einmal in 50 Jahren zu erwartende Belastung dar.
In der ÖNORM EN 1991-1-3 sind, abhängig von 10 Klimaregionen unterschiedliche Rechenvorschriften zur Ermittlung der charakteristischen Schneelasten sk – am Erdboden auftretend – angegeben. Für Österreich als Teil der „alpinen Region“ wurde die Bestimmung der Schneelast bis zu Seehöhen von 1500 m in der ÖNORM B 1991-1-3 festgelegt.
Für die Ermittlung der Schneelasten auf Dächern sind die charakteristischen Schneelasten auf den Boden mit entsprechenden Formbeiwerten in Abhängigkeit von der Dachneigung bzw. Dachform zu multiplizieren.
Erddruck
Bei der Bemessung von Kellerwänden ist gemäß ÖNORM EN 1991-1-1 in Verbindung mit ÖNORM B 1991-1-1 ein erhöhter Erddruck als Folge einer auf der anschließenden Fläche befindlichen zusätzlichen Auflast zu berücksichtigen. Letztere ist hierbei entsprechend der Nutzungskategorie zu bestimmen. Sind die anschließenden Flächen Fahrbahnen von Straßen, so ist eine Auflast von qk = 15,0 kN/m² anzusetzen.
Für Kellerwände aus Mauerwerk muss der höchste Grundwasserspiegel unter der Fundamentsohle liegen, eine Belastung zufolge Wasserdrucks ist nicht zulässig. Die dreiecks- bzw. trapezförmige horizontale Druckverteilung auf der Wand zufolge Erddruck ergibt sich aus den Berechnungsansätzen der ÖNORM EN 1997-1 und ÖNORM B 1997-1-1.
Die charakteristischen Werte von Erddrücken sind mit den charakteristischen Werten der Bodenkennwerte zu berechnen. Vereinfacht können bei einem horizontalen Gelände und Vernachlässigung der Kohäsion die aktiven Erddrücke nach Formel (6-08) ermittelt werden.
Erdbeben
Die gefühlten Erschütterungen von Gebäuden bei Erdbeben sind die dynamische Antwort der Bauwerksstruktur auf die komplexen Schwingungsvorgänge im Bodenkörper. Die ÖNORM EN 1998-1 gilt für Entwurf, Bemessung und Konstruktion von Bauwerken des Hoch- und Ingenieurbaus in Erdbebengebieten. Das Ziel ist, sicherzustellen, dass bei Erdbeben menschliches Leben geschützt ist, Schäden begrenzt und wichtige Bauwerke zum Schutz der Bevölkerung funktionstüchtig bleiben.
In Abhängigkeit von den Folgen eines Einsturzes für menschliches Leben, von der Bedeutung für die öffentliche Sicherheit und den Schutz der Bevölkerung unmittelbar nach einem Erdbeben sind Bauwerke in Bedeutungskategorien gegliedert. Aus diesen resultieren dann die Bedeutungsbeiwerte γI als „Sicherheitsfaktoren“ für die Erdbebeneinwirkung.
Grundsätzlich ist die Erbebengefährdung nicht alleine von der prognostizierten Erdbebenbeschleunigung abhängig, sondern auch stark vom vorhandenen Boden. Somit werden in der ÖNORM EN 1998-1 Baugrundklassen zur besseren Zuordenbarkeit definiert und in Abhängigkeit dieser dann die Bodenparameter festgelegt.
Quasistatische Erdbebenersatzkräfte
Für die Ermittlung der Horizontalkomponenten der Erdbebeneinwirkung wird ein Bemessungsspektrum Sd(T) durch elastische Antwortspektren (für Österreich Typ 1), aus denen sich wiederum die Erdbebenersatzkräfte ableiten, angegeben. Zur Ermittlung der Eigenschwingdauer des Bauwerks können Werte auf Grundlage baudynamischer Methoden oder näherungsweise Ansätze herangezogen werden.
Für Bauwerke, die im Aufriss in gewissen Grenzen nicht regelmäßig sind, müssen die Verhaltensbeiwerte q um 20 % abgemindert werden, wobei keine Abminderung auf Werte kleiner 1,50 nötig ist.
Die Gesamterdbebenkraft Fb auf das Bauwerk errechnet sich dann nach Formel (6-12), wobei der Korrekturbeiwert λ für den Fall T ≤2 TC bei Bauwerken mit mehr als 2 Stockwerken mit 0,85 und für alle anderen Fälle mit 1,00 anzunehmen ist.
Die errechnete Gesamterdbebenkraft ist dann noch auf die jeweiligen Stockwerkskräfte Fi entsprechend der Massen- und Höhenverteilung aufzuteilen.
Der Nachweis nach den beschriebenen Ansätzen darf für Hochbauten, die den Regelmäßigkeitskriterien der ÖNORM EN 1998-1 genügen, anhand von zwei ebenen Modellen, jeweils für eine der beiden Hauptrichtungen durchgeführt werden. Nachweise der vertikalen Erdbebenbeanspruchung dürfen in der Regel entfallen.
Erdbebenbeanspruchung nach nichtlinearen Methoden
Nichtlineare Methoden berücksichtigen das plastische Verhalten des Mauerwerks in der Regel durch die Ausbildung von feinen Rissen. Versuche haben gezeigt, dass z.B. schlanke gemauerte Wandscheiben bei Biegebeanspruchung durch Aufreißen im Druckstrebenbereich zumeist unter großen Verformungen versagen, ebenso wie bei langen, steifen Scheiben beim Gleiten entlang der Lagerfugen große Verschiebungen entstehen. In einfacherer Form berücksichtigen die nichtlinearen Untersuchungen zwar das nichtlineare Verhalten der Bauteile, sind jedoch keine dynamischen Untersuchungen wie z. B. Zeitverlaufsberechnungen, bei denen noch zusätzlich die zeitliche Veränderung der Beanspruchung miteinfließt.
Das Verformungsvermögen von Mauerwerksscheiben unter Horizontalkraft ist somit der zentrale Parameter in verformungsbasierten Verfahren. Demnach wird der Nachweis der Aufnahmefähigkeit von Erdbebenbeanspruchungen nicht durch die Ermittlung von Kräften als Einwirkung auf die Strukturen, sondern über die Ermittlung der resultierenden Verformung (der Zielverschiebung) geführt. Diese wird zumeist in Höhe der letzten Deckenebene definiert (Kontrollpunkt) und diese Zielverschiebung mit der maximalen Verschiebungskapazität des Bauwerks verglichen.
Die Beziehung zwischen Erdbebenkraft und der Verschiebung am Kontrollpunkt und wird „Kapazitätskurve“ genannt. Definiert ist die „Pushover“-Berechnung als Berechnung unter konstanten Gewichtslasten und monoton wachsenden Horizontalkräften. Sie darf sowohl bei der Auslegung neuer als auch bei bereits bestehenden Hochbauten zur Überprüfung des Tragverhaltens angewendet werden, bzw. zur
- Beurteilung der Werte des Überfestigkeitsverhältnisses,
- zur Abschätzung des Tragverhalten, bestehender oder ertüchtigter Hochbauten,
- als eine Alternative zur Auslegung auf der Grundlage linear-elastischer Berechnungen unter Verwendung des Verhaltensbeiwerts 𝑞
Außergewöhnliche Einwirkungen
Die ÖNORM EN 1991-1-7 liefert Grundsätze und Anwendungsregeln für die Bestimmung von außergewöhnlichen Einwirkungen für Hochbauten und behandelt auf dem Gebiet des Mauerwerksbaues Anpralllasten aus Straßenfahrzeugen, Innenraumexplosionen und Einwirkungen aus lokalem Versagen durch eine nicht spezifizierte Ursache. Sie enthält Strategien und Regelungen für die Sicherung von Hochbauten und anderen Ingenieurbauwerken gegen identifizierbare und nichtidentifizierbare außergewöhnliche Einwirkungen.
Anfahrstöße bzw. der Normbezeichnung folgend „statische Anprallkräfte“ sind außergewöhnliche Einwirkungen, die auf Pfeiler, Stützen und Wände – die ihrer Lage nach gefährdet und nicht durch Leitschienen, Bordschwellen oder Ähnliches geschützt sind – angesetzt werden. Als Anprallkraft wird eine statische Ersatzkraft in entsprechender Höhe über der Fahrbahn angenommen, wobei die unterschiedlichen Kraftrichtungen nicht gleichzeitig anzusetzen sind.
Horizontalkräfte auf Zwischenwände und Absturzsicherungen
Zur Sicherstellung eines genügenden Tragvermögens von Zwischenwänden sowie Brüstungen, Geländern und anderen Absturzsicherungen sind entsprechend der jeweiligen Nutzungskategorie der anschließenden Flächen horizontale Streckenlasten in der Höhe von bis zu 1,20 m über dem zu sichernden Gelände anzusetzen und in der Bemessung dieser Bauteile zu berücksichtigen.
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