Mauerwerk besteht aus Mauersteinen und Mauermörtel und kann daher als Verbundwerkstoff bezeichnet werden. Alle Ziegel gelten hinsichtlich der Brennbarkeit als „nicht brennbar“ (A1: kein Beitrag zum Brand) nach ÖNORM EN 13501-1.
Die Abstimmung des Mauersteins mit dem Mauermörtel – insbesondere hinsichtlich Druckfestigkeiten und Querdehnungsmoduli – ist dahingehend sinnvoll, da beide Materialien das Verhalten des Mauerwerks bei Belastung und im Brandfall stark beeinflussen. Druckbelastung verursacht bei Mauerwerk eine Querdehnung, die neben der Belastung auch von der Temperatur abhängig ist. Bei gleicher Last ist bei höherer thermischer Belastung auch die Querdehnung größer. Zwischen 500 °C und 600 °C nimmt die Querdehnung sprungartig zu. In der ÖNORM EN 1996-1-2 sind drei Nachweisverfahren für Mauerwerk vorgesehen:
- Nachweis durch Prüfung
- Nachweis durch Tabellenwerte
- Nachweis durch Berechnung
Die zuverlässigste Methode ist sicherlich jene der Brandprüfung, die auch für spezielle Fälle anzuwenden ist. Der Nachteil dieser Variante ist jedoch der Zeitfaktor, da alleine das Abwarten der normgemäßen Lagerung mindestens 4 Wochen in Anspruch nimmt.
Die einfachste Vorgangsweise ist die des Tabellenverfahrens, wo in zahlreichen Tabellen der ÖNORM B 1996-1-2, je nach Ziegelart, Mörtelart, Lastfall und Feuerwiderstandsklasse, das Ermitteln der Mindestwanddicken, sowohl für unverputzte als auch verputze Wände, möglich ist.
Beim dritten Nachweisverfahren handelt es sich um ein Bemessungsmodell, das von einer Verminderung des Querschnittes des Ziegelmauerwerks infolge der Brandbelastung ausgeht und ab 600 °C Bauteiltemperatur ein Dickenverlust mit einem damit verbundenen Tragfähigkeitsverlust eintritt.
Für die brandtechnische Beurteilung von Mauerwerk wird auch noch eine zusätzliche Mauersteingruppe definiert:
Mauersteingruppe 1S
Mauersteine mit einem Lochanteil von weniger als 5 Vol.- %. Diese Steine können zusätzliche Vertiefungen, z. B. Grifflöcher oder Nuten in der Lagerfläche, enthalten, wenn diese Vertiefungen im Mauerwerk mit Mörtel gefüllt werden.
Einwirkungen Brand
Wie alle Einwirkungen ist auch die Brandeinwirkung im Eurocode 1 in der ÖNORM EN 1991-1-2 und B 1991-1-2 geregelt. Diese enthält einige Möglichkeiten der Festlegung der Brandtemperaturen und legt die thermischen Einwirkungen durch den Netto-Wärmestrom in die Oberfläche des Bauteils unter Berücksichtigung der Wärmeübertragung durch Konvektion und Strahlung fest.
Einheitstemperaturzeitkurve
Die wohl häufigste und weltweit auch verbreitetste Temperaturzeitkurve ist die Einheitstemperaturzeitkurve – häufig auch ETK genannt. Sie stellt im Wesentlichen ein Modell dar, das für einen voll entwickelten Brand in einem Raum gilt – also für stetiges Anwachsen der Temperatur und ohne Verbrauch von brennbarem Material.
Außenbrandkurve
Zur Anwendung auf die Außenfläche raumabschließender Außenwände, die von verschiedenen Teilen der Fassade aus einem Brand ausgesetzt sein können, d. h. unmittelbar aus dem Inneren des jeweiligen Brandabschnittes oder aus einem Brandabschnitt, der sich unter der jeweiligen Außenwand befindet oder an diese angrenzt.
Naturbrandmodelle
Brandmodelle basieren auf bestimmt physikalischen Größen, die nur in bestimmten Grenzen anwendbar sind. Für Vollbrände wird dabei eine gleichmäßige zeitabhängige Temperaturverteilung, für lokale Brände eine ungleichmäßige zeitabhängige Temperaturverteilung angenommen. Die jeweiligen Gastemperaturen sind auf der Grundlage physikalischer Parameter zu berechnen, die mindestens die Brandlastdichte und die Ventilationsbedingungen berücksichtigen.
Widerstände nach ÖNORM B 1996-1-2
Ein umfassender analytischer brandschutztechnischer Nachweis nach ÖNORM EN 1996-1-2 und B 1996-1-2 muss das Verhalten des Tragwerks bei erhöhten Temperaturen, die mögliche Wärmebeanspruchung und die positiven Effekte aktiver Brandschutzmaßnahmen einschließlich der mit diesen Aspekten zusammenhängenden Unsicherheiten sowie die Versagensfolgen des Tragwerks berücksichtigen.
Es ist zwar möglich, einen rechnerischen Brandschutznachweis zu führen, der einige, wenn nicht alle Parameter berücksichtigt, und zu zeigen, dass das Tragwerk oder seine Bestandteile bei einem Gebäudebrand eine ausreichende Leistungsfähigkeit aufweisen. Die derzeit überwiegend verwendete Methode zum Nachweis des Brandverhaltens basiert aber auf den Ergebnissen von Normbrandprüfungen. Die ÖNORMen EN 1996-1-2 und B 1996-1-2 gelten für Mauerwerkswände, die zur Gewährleistung der allgemeinen Brandsicherheit unter Brandbeanspruchung bestimmte Funktionen erfüllen müssen, wie:
- Vermeidung eines vorzeitigen Einsturzes der Konstruktion (Tragfähigkeit)
- Verhinderung der Brandausbreitung (Flammen, heiße Gase, übermäßige Hitze) über bestimmte Bereiche hinaus (Raumabschluss)
Im Speziellen werden zu folgenden Wandsystemen brandtechnische Aussagen getroffen:
- nichttragende Innenwände
- nichttragende Außenwände
- tragende raumabschließende oder nichtraumabschließende Innenwände
- tragende raumabschließende oder nichtraumabschließende Außenwände
Bemessungsmodell – Rechenverfahren
Eine brandtechnische Bemessung von Mauerwerk ist speziell für stark aufgelöste Querschnitte wie Hochlochziegel ein relativ komplizierter Vorgang, der auf sehr vielen versuchstechnisch bestimmten Parametern aufbaut.
Dies beginnt bereits bei der Ermittlung der Bauteiltemperaturen im Brandfall.
Für die Bemessungswerte der Materialeigenschaften (Festigkeiten, Verformung) sind die jeweiligen Eigenschaften der normalen Bemessung („Kaltbemessung“) entsprechend Formel (6-86) auf die Werte im Brandfall zu modifizieren.
Entsprechend der ÖNORM EN 1996-1-2 kann der Teilsicherheitsbeiwert für die Materialeigenschaft im Brandfall mit 1,00 angesetzt werden, wodurch die Bemessungswiderstände gleich den charakteristischen Widerständen gesetzt werden.
Für die Bemessungseinwirkungen im Brandfall können vereinfacht die Bemessungswerte für normale Temperaturen mit einem Abminderungsbeiwert multipliziert werden. Die ÖNORM EN 1996-1-2 gibt dazu genaue Rechenregeln zu den jeweiligen Lastkombinaten an, ermöglicht aber auch einen Ansatz eines Pauschalwertes mit 0,65 für alle Lastkategorien ausgenommen E (Lagerräume) mit 0,70.
genaues Berechnungsverfahren
Das genaue Berechnungsverfahren basiert auf den grundsätzlichen physikalisch-mechanischen Zusammenhängen des Verhaltens von Bauteilen im Brandfall, wobei sowohl die Temperaturentwicklung und Temperaturverteilung in einem Bauteil (thermisches Berechnungsmodell) wie auch das mechanische Verhaltens des Tragwerks oder seiner Bestandteile (mechanisches Berechnungsmodell) berücksichtigt werden. Genauere Berechnungsverfahren können in Verbindung mit jeder Aufheizkurve verwendet werden, wenn die Materialeigenschaften in dem entsprechenden Temperaturbereich und für die entsprechende Aufheizrate bekannt sind.
vereinfachtes Rechenverfahren
Im vereinfachten Rechenverfahren wird die Tragfähigkeit eines Restquerschnitts des Mauerwerks nach einer definierten Branddauer unter Verwendung der Lasten bei Raumtemperatur bestimmt. Dieses vereinfachte Verfahren kann im Ziegelmauerwerk nur für Wände und Pfeiler aus Mauerziegel der Gruppe 1S und Gruppe 1 mit einer Steindruckfestigkeit 𝑓b von 10 bis 40 N/mm² sowie Trockenrohdichten von 1000 bis 2000 kg/m³ und der Verwendung von Normalmörtel angewendet werden.
Der Bemessungswert der vertikalen Tragfähigkeit einer Wand oder eines Pfeilers resultiert aus den Bemessungsdruckfestigkeiten von zwei Wandbereichen in Abhängigkeit der Temperatur und der reduzierten Bauteilschlankheit.
Bei keramischen Mauersteinen tritt bei 600 °C ein Dickenverlust mit ein damit verbundener Tragfähigkeitsverlust ein, der bei 90 Minuten Brandbelastung bei einem „Abbrand“ von 2,6 cm liegt.
Die angesetzte Temperatur von 600 °C ist dadurch begründbar, dass bei seiner Erhitzung der Ziegel mehrere problematische Phasen durchschreitet. Bei 450 °C bis 650 °C löst eine Volumensvergrößerung des Quarzes, einer der wesentlichsten Komponenten in keramischen Materialien, erhebliche Spannungen aus („Quarzsprung“). Diese bewirken Risse, die bei Hochlochziegeln – bedingt durch die dünnen Stege – durchaus gefährdend für die Substanz sein können.
Wertet man Abbildung 6-40 für die beiden Isothermen bei 100 °C und 600 °C aus, ergibt sich ein Dickenverlust bei Ziegelmauerwerk nach Tabelle 6-48.
Die Exzentrizität infolge Brandbeanspruchung eΔϴ zur Verwendung im vereinfachten Rechenverfahren kann aus Prüfungen oder aus Gleichung (6-93) bestimmt werden.
Tabellenverfahren
Der Nachweis des Feuerwiderstands von Mauerwerkswänden durch Tabellenwerte wird in Abhängigkeit von den geforderten Kriterien für die erforderliche Mindestdicke des Mauerwerks angegeben, um eine bestimmte Feuerwiderstandsdauer zu erreichen. Dabei sind die Angaben zu Mauersteinart, Mauersteingruppe und Trockenrohdichte zu berücksichtigen. Die Mindestwanddicken in den Tabellen berücksichtigen nur die Anforderungen des Brandschutzes, größere erforderliche Wanddicken aus statischen oder akustischen Anforderungen sind nicht berücksichtigt und gesondert zu prüfen.
Die Tabellenwerte für tragendes Mauerwerk gelten für eine Wandausnutzung mit den Verhältniswerten α von 1,00 oder 0,60 und geben die erforderliche Dicke einer Mauerwerkswand tF in mm für eine Feuerwiderstandsdauer tfi,d in Minuten an. In den Tabellen wird die erforderliche Wanddicke ohne zusätzliche Bekleidungen angeführt, wobei die Werte ohne Klammer für unverputztes Mauerwerk und die Werte in Klammer ( ) für Wände mit einem Putz mit einer Mindestdicke von 10 mm auf beiden Seiten einer einschaligen Wand bzw. auf der Außenseite einer zweischaligen Wand gelten. Für Mauerwerk mit unvermörtelten Stoßfugen aus Steinen mit Nuten und Federn in der Stoßfläche dürfen für Stoßfugenbreiten bis 5 mm die Tabellenwerte für unverputztes Mauerwerk verwendet werden. Für die in den Tabellen angeführten Bereiche bedeutet „nvg“ (no value given) „keine Angaben“.
Die in der ÖNORM B 1996-1-2 tabellierten Werte für Ziegelmauerwerk basieren ausschließlich auf vorliegenden Prüfungen und Klassifizierungsberichten mit nationalen Baustoffen. Eine Anwendung der Tabellen ist daher nur in Verbindung mit gültigen Klassifizierungsberichten zulässig, andernfalls gelten die nach dem Schrägstrich angegebenen oberen Grenzwerte der tabellierten Werte der ÖNORM EN 1996-1-2.
Berechnungsbeispiele Brandbemessung
Für den Nachweis der Feuerwiderstandsklasse nach dem Tabellenverfahren ist bei lastabtragenden Bauteilen neben den Bauteileigenschaften auch die Ermittlung deren Ausnutzung zufolge vertikaler Beanspruchung erforderlich. Auf der „sicheren Seite“ liegend kann diese auch mit 𝛼 ≤1,0 angesetzt werden. Entscheidend für die richtige Wahl der erforderlichen Mindestwanddicke 𝑡F in Abhängigkeit der Feuerwiderstandsklasse ist auch die Kenntnis ob es für die zu beurteilende Wand einen gültigen Klassifizierungsbericht gibt und ob die Wandflächen verputz werden.
© 2018
Der Inhalt dieser Fachbuchauszüge
ist urheberrechtlich geschützt.
zum Buch