Bei der Berechnung vertikal beanspruchter Wände sind nach ÖNORM EN 1996-1-1 nachfolgende Punkte zu berücksichtigen:
- direkt auf die Wand einwirkende vertikale Lasten,
- Effekte aus Theorie II. Ordnung,
- Ausmitten, die sich aus der Anordnung der Wände sowie dem Zusammenwirken der Decken und der aussteifenden Wände ergeben,
- Ausmitten infolge Ungenauigkeiten bei der Ausführung und unterschiedlicher Baustoffeigenschaften einzelner Teile.
Tragmodelle
Um die Effekte von Versteifungen, Einspannungen, anbindende Querwände oder Vorsatzschalen beim Nachweis der tragenden Wände berücksichtigen zu können, werden in ÖNORM EN 1996-11 bzw. in ÖNORM EN 1996-3 Beiwerte und Umrechnungshilfen gegeben. Dadurch wird die Erschwernis, die vorhandene Anisotropie bei der Lastabtragung berücksichtigen zu müssen, auf ein rechentechnisch bewältigbares Maß reduziert.
Effektive Wanddicke
Als effektive Wanddicke tef ist bei Mauerwerk ohne Luftschichten die vorhandene Wanddicke anzusetzen. Dies gilt für:
- einschalige Wände,
- zweischalige Wände ohne Luftschicht,
- einschaliges Verblendmauerwerk,
- Wände mit Randstreifenvermörtelung der Lagerfugen,
- verfüllte zweischalige Wände.
Bei zweischaligen Wänden, deren Schalen mit Wandankern so verbunden sind, dass eine gesicherte Mitwirkung der Vorsatzschale an der Stabilität gegeben ist, kann auch eine diesbezügliche Berücksichtigung bei der Stabilitätsberechnung erfolgen.
Für eine mit Pfeilern ausgesteifte Wand kann die effektive Wanddicke aus dem Verhältnis der Pfeilertiefe zur Wanddicke, dem Pfeilerabstand und der Pfeilerbreite errechnet werden.
Wirksame Deckenspannweite
Die wirksame Deckenspannweitelf,ef ist in der ÖNORM EN 1996-3 in Abhängigkeit der Deckenauflagerung definiert und wird hauptsächlich für die vereinfachte Beurteilung der eingeprägten Momente in den Auflagern auf die Wand benötigt.
Bei zweiachsig gespannten Einfeldsystemen und zweiachsig gespannten Durchlaufsystemen gilt die Bestimmung von lf,ef nur, wenn die Auflagerlänge auf der betrachteten Wand nicht größer ist als zweimal lf.
Knicklänge
Für Berechnungsansätze nach der ÖNORM EN 1996-3 ist die Ermittlung der Knicklänge von Wänden nach Formel (6-35) möglich, der Abminderungsfaktor ρ hängt dabei von den jeweiligen Lagerungsbedingungen ab.
Der Abminderungsfaktor ρ2 hängt ab von der Art der Lagerung der Decke auf der Wand und es gilt:
- bei Wänden, die nur oben und unten durch Stahl- oder Spannbetondecken oder -dächer horizontal gehalten und eingespannt sind und eine Auflagertiefe von mindestens 2/3 der Wanddicke, aber nicht weniger als 85 mm aufweisen:
ρ2 = 1,00, wenn die Wand als Endauflager einer Decke wirkt,
ρ2 = 0,75 für alle anderen Wände. - bei allen Wänden, die nur oben und unten (z. B. durch Ringbalken mit ausreichender Steifigkeit oder Holzbalkendecken) horizontal gehalten sind und durch die Decken oder das Dach nicht eingespannt sind:
ρ2 = 1,00 keine Einspannung der Decke
Ergänzend und in Abhängigkeit der Lagerungsart der Decke kann durch die Stützung der aussteifenden Wände noch eine weitere Reduktion der Knicklänge zufolge Plattentragwirkung berücksichtigt werden.
- bei Wänden, die oben und unten sowie an einem vertikalen Rand horizontal gehalten sind, nach Formel (6-36).
- bei Wänden, die oben und unten sowie an beiden vertikalen Rändern horizontal gehalten sind, nach Formel (6-37).
ÖNORM EN 1996-1-1 ergänzt die Berechnungsansätze der ÖNORM EN 1996-3 bzw. differenziert noch weiter. Der jeweilige Abminderungsfaktor ρ hängt dabei ebenfalls von den jeweiligen Lagerungsbedingungen ab.
Der Abminderungsfaktor ρ2 hängt ab von der Art der Lagerung der Decke auf der Wand und es gilt:
- bei Wänden, die nur oben und unten durch beidseitig aufgelagerte Betondecken oder aber eine einseitig aufgelagerte Betondecke mit einer Auflagertiefe von mindestens 2/3 der Wanddicke gehalten sind:
ρ2 = 0,75 sofern die obere Lastausmitte ≤0,25·t
ρ2 = 1,00 für alle anderen Wände. - bei Wänden, die oben und unten durch beidseitig aufgelagerte Holzbalkendecken oder Dächer oder aber durch eine einseitig aufgelagerte Holzbalkendeckendecke mit einer Auflagertiefe von mindestens 2/3 der Wanddicke, aber mindestens 85 mm gehalten sind:
ρ2 = 1,00
bei am Wandkopf und Wandfuß und an einem vertikalen Rand (ein Rand nicht gehalten) gehaltenen Wänden:
bei am Wandkopf und Wandfuß und an zwei vertikalen Rändern gehaltenen Wänden:
Die Abminderungen zur Berücksichtigung von seitlichen Halterungen sind nur dann gültig, wenn die Wandgröße beschränkt ist. Zwischen zwei vertikal gestützten Rändern darf die Wandlänge nur kleiner als 30·t, bei an einem vertikalen Rand gestützten Wand nur kleiner als 15·tsein, andernfalls sind die Seitenstützungen nicht mehr wirksam.
Außerdem gilt, dass die Knicklänge an der Einzelwand nur dann abgemindert werden kann, wenn keine Öffnungen mit in Summe mehr als 10 % der gestützten Wandfläche vorhanden sind und vorhandene Öffnungen maximale Abmessungen von ¼ der Wandlänge bzw. Wandhöhe nicht überschreiten.
Ebenso dürfen keine Schlitze oder Aussparungen über die nach ÖNORM EN 1996-1-1 definierten Höchstmaße hinaus in der ausgesteiften Wand hergestellt werden, sofern die Dicke dann nicht auf die verbleibende Restdicke abgemindert wird oder diese Störung als Trennung der Wandfläche betrachtet werden.
Sind diese Bedingungen nicht erfüllt, muss von einer Stützung ausschließlich durch die Decken ausgegangen werden.
Bedingungen für aussteifende Bauteile
Für die wirksame Haltung von Wänden gegen Knicken muss die anbindende Querwand folgende Bedingungen erfüllen:
- funktionierende Kraftübertragung durch entsprechende Einbindung oder Verankerung z. B. mit Mauerankern – vor allem bei einseitiger Anbindung.
- aussteifende Wände und ausgesteifte Wand sollten hinsichtlich des Verformungsverhaltens ähnlich sein, es dürfen keine Risse zwischen den Wänden entstehen.
- ausreichende Eigensteifigkeit – Mindestdicke größer 30 % der Dicke der ausgesteiften Wand, Mindestlänge 1/5 der Geschoßhöhe; in diesem Bereich sind keine Wandöffnungen erlaubt – Funktion der Aussteifung wird gestört.
- Ebenso sind Schlitze oder Wandöffnungen über die nach ÖNORM EN 1996-1-1 definierten Höchstmaße hinaus in diesem Bereich als Störung zu werten.
Schlankheit von Mauerwerkswänden
Als Schlankheit von Mauerwerkswänden ist der Quotient aus der effektiven Höhe hef dividiert durch den Wert der effektiven Dicke tef definiert.
Für vertikal beanspruchte Wände darf diese Schlankheit nicht größer als 27 sein.
Auf Stürze entfallende Lastanteile
Ähnlich wie bei Öffnungen in homogenen Scheiben, wo der Spannungsfluss um die Störstelle geleitet wird, werden bei Mauerwerk über Öffnungen die Druckspannungen in angenähert 60° auseinandergeführt und eine entlastete Wandzone, das „Entlastungsdreieck“, gebildet.
Bei der Festlegung der Auflagerlänge des Sturzes und dem Ansatz der vereinfachten Modelle für die Lastabtragung ist jedenfalls zu beachten:
- Die Auflagerlänge des Sturzes muss mindestens 10 cm betragen.
- Die vom Hersteller des Sturzes angegebene Mindestauflagerlänge ist einzuhalten.
- Die Weiterleitung der Auflagerkräfte NEd,c erfolgt über Teilflächenpressungen und ist nachzuweisen.
Die über Öffnungen umgelenkten Druckspannungen bilden Spannungskonzentrationen an den Öffnungsseiten, die dort – gemeinsam mit den Auflagerkräften aus den Überlagen von der Wand aufgenommen werden müssen. Bei größeren Öffnungen kann es aus dieser Spannungskonzentration an diesen Stellen durchaus zu kritischen Lastzuständen kommen.
Nachweisformate nach EUROCODE 6
Die Regelungen des Eurocode 6 ermöglichen es, Mauerwerk je nach dessen Einsatzgebiet bzw. Gebäudegröße mit unterschiedlicher Genauigkeit nachzuweisen, wobei die vereinfachten Nachweise als auf der „sicheren Seite“ liegend anzusehen sind und ein detaillierter Nachweis immer möglich ist. Es sind vier Nachweisqualitäten vorgesehen:
- Einhalten von konstruktiven Regeln bei einfachen Bauwerken bis zur GK2
- vereinfachter Nachweis für Bauwerke mit bis zu drei Geschoßen
- vereinfachte Berechnungsmethode für Bauwerke mit bis zu 20 m Gebäudehöhe
- detaillierter Nachweis unabhängig von der Gebäudeart
Konstruktive Regeln – ÖNORM B 1996-3
Für einfache Bauwerke der Gebäudeklasse GK1 bzw. GK2 gemäß ÖNORM B 3806 bzw. (mit einigen Einschränkungen) den Begriffsbestimmungen der OIB-Regeln entsprechend sowie der Schadensfolgeklasse CC1 bzw. CC2 gemäß ÖNORM B 1990-1 gilt durch die Befolgung der nachfolgenden Anwendungsbestimmungen und Anforderungen bzw. Einhaltung der konstruktiven Grundregeln die vertikale Standsicherheit ohne rechnerische Nachweise als nachgewiesen.
- Hochbauten mit maximal zwei Geschoßen über dem verglichenen Geländeniveau (Geschoße sind Erdgeschoß, Obergeschoß bzw. ausgebautes Dachgeschoß),
- lichte Deckenstützweiten auf den Rohbau bezogen höchstens 6,0 m,
- Nutzlasten der Geschoßdecken höchstens 3,0 kN/m²,
- lichte Raumhöhen auf den Rohbau bezogen höchstens 3,0 m,
- maximaler Abstand aussteifender Querwände 8,0 m,
- es gelten die konstruktionsbedingten Vorgaben, sofern keine darüber hinausgehenden Regelungen vorgeschrieben werden,
- Mauersteine müssen eine Steindruckfestigkeit 𝑓b ≥ 2,5 N/mm² aufweisen,
- Mindest-Querschnittsfläche von gemauerten Pfeilern von 0,08 m²,
- maximale lichte Öffnungslänge bzw. Summe der Öffnungen in tragenden Wänden 4,0 m pro Raumseite,
- bei gemauerten Kellerwänden darf der rechnerische Nachweis entfallen, wenn die Wanddicke t ≥ 30 cm und die Anschütthöhe he nicht größer als 2,0 m sind.
Berechnungsbeispiele bei vertikaler Beanspruchung
konstruktive Regeln nach ÖNORM B 1996-3
Der Nachweis der Einhaltung der konstruktiven Regeln wäre für den in Beispiel 6-01 angeführten Grundriss ohne der aussteifenden Trennwand TW1 mit einer Wandstärke ≥12 cm nicht möglich, da der geforderte maximale Abstand aussteifender Querwände von 8,0 m dann nicht gegeben ist.
konstruktive Regeln nach ÖNORM B 1996-3
Auch wenn für dieses Nachweisverfahren keine expliziten rechnerischen Nachweise erforderlich sind, müssen vor der Nachweisführung die Materialeigenschaften, die Bauweise und die Nutzung festgelegt sein.
Vereinfachter Nachweis – ÖNORM EN 1996-3
Diese vereinfachte Berechnungsmethode nach ÖNORM EN 1996-3 darf bei Gebäuden angewendet werden, wenn die folgenden Bedingungen eingehalten sind:
- das Gebäude hat nicht mehr als drei Geschosse über Gelände,
- die Wände sind rechtwinklig zur Wandebene durch die Decken und das Dach in horizontaler Richtung gehalten, und zwar entweder durch die Decken und das Dach selbst oder durch geeignete Konstruktionen, z. B. Ringbalken mit ausreichender Steifigkeit,
- die Auflagertiefe der Decken und des Daches auf der Wand beträgt mindestens 2/3 der Wanddicke, jedoch nicht weniger als 85 mm,
- die lichte Geschosshöhe ist nicht größer als 3,0 m,
- die kleinste Gebäudeabmessung im Grundriss beträgt mindestens 1/3 der Gebäudehöhe,
- die charakteristischen Werte der veränderlichen Einwirkungen auf den Decken und dem Dach sind nicht größer als 5,0 kN/m²,
- die größte lichte Spannweite der Decken beträgt 6,0 m,
- die größte lichte Spannweite des Daches beträgt 6,0 m, ausgenommen LeichtgewichtDachkonstruktionen, bei denen die Spannweite 12,0 m nicht überschreiten darf,
- es gelten die konstruktionsbedingten Vorgaben, sofern keine darüber hinausgehenden Regelungen vorgeschrieben werden,
- das Verhältnis hef/tef von Innen- und Außenwänden ist nicht größer als 21.
Der vertikale Bemessungswiderstand einer Wand NRd errechnet sich dann unter vereinfachten Ansätzen für die Schlankheitsabminderungen nach Formel (6-41) und ist mit den Bemessungseinwirkungen NEd zu vergleichen.
Berechnungsbeispiele bei vertikaler Beanspruchung
vereinfachter Nachweis nach ÖNORM EN 1996-3
Im Gegensatz zum alleinigen Einhalten konstruktiver Kriterien ist beim vereinfachten Nachweis eine Lastaufstellung = Bemessungseinwirkung und ein vereinfachter Bemessungswiderstand für die einzelnen Wände zu ermitteln.
Vereinfachte Berechnungsmethode – ÖNORM EN 1996-3
Für die Anwendung der vereinfachten Methode des Nachweises der Grenzzustände müssen die folgenden Bedingungen eingehalten sein:
- Die Gebäudehöhe über der Geländeoberfläche darf hm = 20 m nicht überschreiten, bei Gebäuden mit geneigten Dächern ist die Gebäudehöhe als mittlere Höhe ha zu bestimmen.
- Die Stützweite der auf den Wänden aufliegenden Decken darf 7,0 m nicht überschreiten.
- Die Stützweite der auf den Wänden aufliegenden Dächer darf 7,0 m, im Falle von leichtgewichtigen Fachwerkdächern 14,0 m nicht überschreiten.
- Wenn die Gesamthöhe des Gebäudes ≤7,0 m ist, darf die lichte Geschosshöhe des Erdgeschosses 3,2 m nicht überschreiten.
- Wenn die Gesamthöhe des Gebäudes größer als 7,0 m ist, darf die lichte Geschosshöhe des Erdgeschosses bis 4,0 m betragen.
- Die charakteristischen Werte der veränderlichen Einwirkungen auf den Decken und dem Dach dürfen 5,0 kN/m² nicht überschreiten.
- Die Wände sind rechtwinklig zur Wandebene durch die Decken und das Dach in horizontaler Richtung gehalten, und zwar entweder durch die Decken und das Dach selbst oder durch geeignete Konstruktionen, z. B. Ringbalken mit ausreichender Steifigkeit.
- Die Wände der verschiedenen Geschosse stehen übereinander.
- Die Auflagertiefe der Decken und des Daches auf der Wand muss mindestens 40 % der Wanddicke, jedoch nicht weniger als 75 mm betragen.
- Die Dicke der Wand und die Druckfestigkeit des Mauerwerks sind in allen Geschossebenen nachzuweisen, wenn diese Parameter nicht in allen Geschossen gleich sind.
- Bei Wänden, die als Endauflager für Decken wirken, darf die vereinfachte Berechnungsmethode nur angewendet werden, wenn die Stützweite der Decke lf nicht größer ist als:
- Wände, die als Endauflager für Decken oder Dächer wirken und durch Windkraft beansprucht werden, dürfen nur bemessen werden, wenn eine Mindestdicke tder Wand nach Formel (6-43) gewährleistet wird:
An jeder nachzuweisenden Wand gibt es zwei Orte, die maximale Beanspruchungen aufweisen können – die Wandmitte mit den Einflüssen aus der Schlankheit und der Wandfuß mit den eingeprägten Momenten aus der Deckenauflagerung. Deswegen ist der ungünstigste Fall durch die Heranziehung des kleinsten Faktors ϕs für den Nachweis zu wählen. Der Bemessungswert des vertikalen Tragwiderstands NRd ergibt sich aus:
Der Abminderungsbeiwert ϕs zur Berücksichtigung des Knickens, der ungewollten Ausmitte, der Lastausmitte und des Kriecheinflusses ist in Abhängigkeit von der Belastungsart und der Lage der Wand der kleinste Wert von ϕs1, ϕs2 und ϕs3, wobei die Schlankheit der Wand maximal 27 erreichen darf.
Berechnungsbeispiele bei vertikaler Beanspruchung
vereinfachte vertikale Berechnungsmethode nach ÖNORM EN 1996-3
Neben der Einhaltung der konstruktiven Kriterien für die Anwendbarkeit des Nachweisverfahrens ist in allen Geschoßen und für die unterschiedlichen Materialien der Vergleich der Bemessungseinwirkungen mit den Bemessungswiderständen zu führen.
Nachweis unbewehrter Mauerwerkswände – ÖNORM EN 1996-1-1
Der Bemessungswert des vertikalen Tragwiderstands NRdergibt sich aus:
Die Größe des Abminderungsfaktors ϕ zur Berücksichtigung der Schlankheit und Ausmitte darf auf der Grundlage eines rechteckigen Spannungsblockes ermittelt werden.
Für den Wandkopf und Wandfuß ergibt sich ϕi aus Formel (6-47) und für die Wandmitteϕm aus Formel (6-48).
Die ungewollte Ausmitte, einit ist über die ganze Höhe der Wand anzusetzen und kann mit hef/450 angenommen werden.
Für Wände mit Schlankheiten von 15 oder geringer darf die Ausmitte infolge Kriechens ek, gleich null gesetzt und sofern das Einspannmoment in den Knoten keine Exzentrizität größer 0,25·t hervorruft, kann die effektive Knicklänge für die Wand auf 75 % reduziert werden.
Der Abminderungsfaktor ϕm in Wandmitte kann nach ÖNORM EN 1996-1-1 für unbewehrtes Mauerwerk vereinfachend auch nach Abbildung 6-17 ermittelt werden.
Berechnungsbeispiele bei vertikaler Beanspruchung
detaillierter Nachweis nach ÖNORM EN 1996-1-1
Unabhängig von der Gebäudeart und den Bauwerksabmessungen kann auch ein detaillierter Nachweis (Beispiel 6-04) für Mauerwerkspfeiler geführt werden. Die Bemessungsansätze berücksichtigen dabei wesentlich mehr Parameter als bei den vereinfachten Nachweisen, wodurch auch eine bessere Materialausnutzung möglich ist. Im Vergleich mit Beispiel 6-03, bei dem der Ausnutzungsgrad des Außenwandpfeilers bei 0,979 (≤1,00) lag, ergeben sich im genauen Nachweis nur mehr Ausnutzungsgrade von 0,793 bis 0,811 abhängig von der Lage des Nachweisquerschnittes. Liegt im vereinfachten Nachweis der Bemessungswiderstand des Wandpfeilers bei 565 kN, ergibt sich durch den genauen Nachweis ein um rund 20 % höherer Wert von 684 kN im Wandfuß (=525,77×1,30).
Teilflächenpressungen
Im Grenzzustand der Tragfähigkeit muss der Bemessungswert einer vertikalen Einzellast NEdc kleiner oder gleich dem Bemessungswert des Tragwiderstandes einer Wand unter der Teilfläche für diese Beanspruchung NRdc sein.
Für eine Ermittlung des Bemessungswiderstandes kann auch ein vereinfachtes Verfahren nach ÖNORM EN 1996-3 herangezogen werden, wobei – unabhängig von der gewählten Nachweisart – gilt:
- Die Lastausmitte, gemessen von der Schwerachse der Wand, muss kleiner als t/4 sein.
- Teilflächenlasten sind auf der Wand über eine Mindestlänge von 9 cm einzutragen.
- Die Teilflächenlasten sollten auf Mauersteinen der Gruppe 1 oder anderem Vollmaterial aufliegen, dessen Länge gleich der erforderlichen Auflagerlänge zuzüglich eines beidseitigen Überstandes sein sollte. Dieser ergibt sich unter der Annahme einer Lastverteilung von 60° bis zur Grundfläche des Vollmaterials. Bei einem Endauflager ist ein Überstand nur an einer Seite erforderlich.
Vereinfachte Berechnungsmethode nach ÖNORM EN 1996-3
Der Bemessungswert des Tragwiderstandes unter der Teilfläche NRdc ergibt sich aus der Lage der Teilfläche in der Wand und der Gruppe der Mauersteine.
Für die Anwendbarkeit von Formel (6-50) sind noch nachfolgende Bedingungen einzuhalten:
- Die Auflagerfläche unter der Einzellast muss kleiner als ¼ der Wandquerschnittsfläche sein und darf eine Größe von 2·t² nicht überschreiten.
- Die Tragfähigkeit ist in halber Wandhöhe (unabhängig von der Höhenlage der Teilflächenlast) nachzuweisen, wobei eine Lastausbreitung unter der Einzellast in einem Winkel von 60° erfolgt.
Nachweise nach ÖNORM EN 1996-1-1
Bei einer mit Mauersteinen hergestellten und mit Teilflächenlasten beanspruchten Wand kann der Bemessungswert des Tragwiderstandes nach Formel (6-51) ermittelt werden.
Für die sensibleren Mauersteine der Gruppen 2, 3 und 4 sowie für den Fall einer Randstreifenvermörtelung ist ein Nachweis der Einhaltung der Bemessungsdruckfestigkeit direkt unter der Lasteinleitung zu führen, eine Erhöhung des Widerstandes darf nicht angesetzt werden (β = 1,00).
Für die Anwendbarkeit von Formel (6-51) sind noch nachfolgende Bedingungen einzuhalten:
- In allen Fällen sind unter den Auflagern in halber Wandhöhe die vertikalen Nachweise im Wandquerschnitt zu führen. Dies gilt einschließlich der Beanspruchungen durch andere überlagerte Vertikallasten und insbesondere für den Fall, dass Teilflächenlasten relativ dicht nebeneinander liegen, sodass sich ihre Lastausbreitungsflächen überschneiden.
- Wenn die Einzellast über einen geeigneten Verteilungsbalken mit ausreichender Steifigkeit und der Breite t der Wand, einer Höhe >20 cm und einer Länge größer als dem Dreifachen der Auflagerlänge der Last eingetragen wird, kann die Bemessungsdruckspannung unter der belasteten Fläche für Mauersteine der Gruppe 1 ermittelt werden.
Berechnungsbeispiele Teilflächenpressung
Die Berechnung des Erhöhungsfaktors bei Teilflächenlasten β stellt im Wesentlichen den Unterschied zwischen der vereinfachten Bemessungsmethode nach ÖNORM EN 1996-3 und dem detaillierter Nachweis nach ÖNORM EN 1996-1-1 dar, wobei ab Mauersteinen der Gruppe 2 dieser Faktor bei beiden Nachweisverfahren 1,00 zu setzen ist.
vereinfachte Bemessungsmethode nach ÖNORM EN 1996-3
Ausgehend von den geometrischen Abmessungen, den Materialien und den Einwirkungen sind im Bereich der Teilfläche und in halber Wandhöhe die jeweiligen Nachweise zu führen. Beispiel 6-05 zeigt anschaulich, dass die direkte Aufnahme von höheren Auflagerpressungen unter weiter gespannten Unterzügen auf normal dazu verlaufenden Wänden nicht so einfach möglich ist, hier wäre bei den vorgegebenen Materialien eine Pfeilervorlage mit einer Länge von 0,75 bis 1,00 m erforderlich um nicht nur die Teilflächenpressung sondern auch den Spannungsnachweis im Wandquerschnitt erfüllen zu können. Andere Alternativen in der konstruktiven Ausbildung liegen in der Ausbildung eines höher tragfähigen Innenpfeilers oder Lösungen innerhalb der Stahlbetondecke (Sturzausbildung mit Lastverteilung).
Kellerwände
Die für die Bemessung von Kellerwänden maßgeblichen Schnittkräfte resultieren aus der Erddruckbeanspruchung und sind im Wandquerschnitt über Biegung mit Normalkraft und an den Auflagern (Fundament und Kellerdecke) als Abstützung aufzunehmen.
Vereinfachter Nachweis für Kellerwände ÖNORM EN 1996-3
Wenn die nachfolgenden Bedingungen eingehalten werden, kann für durch horizontalen Erddruck beanspruchte Kellerwände die vereinfachte Berechnungsmethode – bei der nur die auf der Kellerwand wirkenden Normalkräfte ermittelt werden müssen – nach ÖNORM EN 1996-3 herangezogen werden.
- Wanddicke t ≥ 20 cm
- lichte Höhe der Kellerwand ℎ ≤ 2,6 m
- die Kellerdecke wirkt als aussteifende Scheibe und kann die aus dem Erddruck resultierenden Kräfte aufnehmen
- charakteristische Verkehrslast bezogen auf die Geländeoberfläche im Einflussbereich des Erddruckes höchstens 5 kN/m²
- keine Einzellast von mehr als 15 kN im Abstand von weniger als 1,5 m zur Wand vorhanden
- anschließende Geländeoberfläche im Einflussbereich des Erddruckes horizontal oder von der Wand abfallend
- Anschütthöhe ℎe ≤ ℎ
- keine hydrostatischen Drücke auf die Wand
- Es ist in der Kellerwand keine Gleitfläche, z. B. infolge einer Feuchtigkeitssperrschicht, vorhanden oder es sind Maßnahmen gesetzt, um die Schubkräfte aufnehmen zu können.
Der Bemessungsansatz basiert auf der Abtragung des Erddruckes durch eine Gewölbetragwirkung in der Kellerwand zwischen Fundament und Decke, die bei einem Abstand der aussteifenden Wände kleiner der doppelten Raumhöhe noch mit einer Quertragwirkung überlagert werden kann. Damit Auflagerkräfte aufgebaut werden können, ist eine Mindestauflast auf die Kellerwand (Bemessungseinwirkung günstig) nachzuweisen. Ergänzend dazu ist die Kellerwand auch ohne Erddruck als freistehende Wand nur für die Abtragung der Normalkräfte nachzuweisen.
Kellerwand nach genauem Nachweisverfahren nach ÖNORM EN 1996-1-1
Aus der horizontalen Einwirkung entsteht in der Wand je nach Stützung eine Biegebeanspruchung. Es ist in der Regel sinnvoll, nur von einer Lastabtragung vom stützenden Deckenbauteil zum Fundamentbauteil auszugehen. Aus der vorhandenen Lastsituation ist die maximale Normalkraft definiert, ebenso die aus anderen Effekten wie z. B. Deckenverdrehung resultierende Ausmitten. Durch die angreifende Horizontalkraft wird dieser Wand eine zusätzliche Momentenwirkung aufgeprägt, die die maximale Ausmitte in Wandmitte und in den Auflagern bestimmt. Diese Exzentrizitäten werden dann den anderen, aus anderen Beanspruchungen resultierenden Exzentrizitäten zugeschlagen.
An der Stelle 𝑥1 in halber Höhe der Anschüttung gilt:
Das Moment im Nachweisquerschnitt aus dem Erddruck bzw. das unter Beachtung von ungewollter Ausmitte maximal mögliche Moment aus der exzentrisch wirkenden Druckkraft darf höchstens das Grenzmoment aus dem Tragbogenmodell bei Exzentrizität t/3 (= Klaffen der Fugen bis zur halben Wandstärke) erreichen. Der obere Bemessungswert der Wandnormalkraft pro Meter Wandlänge in halber Anschütthöhe muss erfüllen:
Für den unteren Bemessungswert der Wandnormalkraft pro Meter Wandlänge in halber Anschütthöhe und als Voraussetzung für die Gültigkeit des Bogenmodells gilt:
Im Nachweisquerschnitt ist aus den Momenten und der Normalkraft die Exzentrizität bekannt und damit kann ein Nachweis unter Heranziehung der Abminderungsbeiwerte ϕnach ÖNORM EN 1996-1-1 wie beim Wand-Decken-Knoten bzw. in Wandmitte üblich geführt werden. Mit den Werten für n bzw. den Auflagerkräften aus dem „Erddruckdreieck“ sind die Nachweise für die Scherkraftaufnahme in den Auflagerpunkten möglich.
Berechnungsbeispiel Kelleraußenwand
Für den vereinfachten Nachweis eines gemauerten Kellers nach ÖNORM EN 1996-3 sind neben der Einhaltung konstruktiver Kriterien, die einerseits die geometrischen Voraussetzungen und andererseits die Größe der Beanspruchung betreffen, nur Lastbilanzen hinsichtlich einer maximalen und minimalen vertikalen Auflast auf die Kelleraußenwand zu ermitteln. Ergänzend ist auch noch der normale vertikale Standsicherheitsnachweis ohne Berücksichtigung des Erddruckes zu führen.
In Beispiel 6-06 zeigt sich, dass bei drei massiven Geschoßen als Auflast auf die Kelleraußenwände die minimale Auflast in jedem Fall überschritten wird und die maximale Auflast auch noch eingehalten werden kann.
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