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Helmut Deubner: Naturnahe und soziale Lebensräume

Interviewpartner ist Architekt Prof. Mag. arch. Ing. Helmut J. Deubner. Studium an der Akademie der bildenden Künste, Abschluss 1976 bei Prof. Roland Rainer. Seit 1982 besitzt er ein Atelier für naturnahes Bauen, 1988 bis 2003 war er Leiter des Österreichischen Instituts für Baubiologie und –ökologie (IBO), 1995 bis 1998 Lektor an der WU Wien, seit 1996 ist er Visitingprofessor an der Donauuniversität Krems (Bauen und Umwelt). Seit 2005 Mitglied im Gestaltungsbeirat Niederösterreichs.

 

Ihr eigenes Atelier wurde unter dem Namen „naturnahes Bauen“ gegründet. Was gehörte damals zum Begriff, was würden Sie heute zu diesem Begriff dazuzählen?

Die Grundlage ist die gleiche, die Beziehung zwischen Mensch und Gebautem, zwi-schen Wohn- bzw. Lebensräumen und der Umwelt. Gleichzeitig ging es mir immer auch darum, Siedlungen und Projekte so zu planen, dass die Außenräume ein Teil der Projektgestaltung sind, Materialien zu verwenden, die ökologisch vertretbar sind und, dass die Bauweise energieeffizient und der städtebauliche Kontext stimmig ist. Geändert haben sich nicht das Konzept, sondern die Technologien und Methoden. Die Technologien sind feiner ausgefeilt und wurden auch den heutigen Anforderun-gen angepasst. Es gilt das gesamte Umfeld bis zum Lebenszyklus des ganzen Ge-bäudes zu betrachten. Dies bezieht auch die Entsorgung von Baustoffen mit ein, vor allem auch die problematischen Verbundbaustoffe.

 

Ist das Einfamilienhaus, der Wunsch vieler ÖsterreicherInnen, tatsächlich so schlecht wie sein Ruf in der Architekturbranche, obwohl es recht häufig in Architekturzeit-schriften zu sehen ist? Hat das Einfamilienhaus aus ihrer Sicht eine Zukunft?

Die Antwort fällt schwierig und leicht. Das Einfamilienhaus ist die individuelle Aus-drucksform der(s) Bauherrn. Ich denke, dass eine gewisse Energie und ein gewisser Ehrgeiz drinnen liegen, selbst zu gestalten, vielleicht auch sich persönlich zu betäti-gen, nicht unerheblich ist dabei auch der Prestigegedanke. Freude und Motivation ein Eigenheim zu besitzen, stellen einen wichtigen Wert im Leben dar. Dies steht oft im Widerspruch zu ökologischen und ökonomischen Forderungen von Gemeinden, die bei dieser Bauweise einen größeren Erschließungsanteil (Straßen, Kanal, Strom, Wasser etc.) haben, gegenüber z.B. bei verdichteter Bauweise. Was die meisten Leute wenig bedenken ist, dass man nicht ewig jung bleibt, dass man schlecht gebaute Häuser im Alter erhalten muss, wenn man vielleicht nicht mehr so viel Geld hat und vor allem die ganze Familiensituation sich verändert. Ungenügende oder schlechte Planungen können bei Laien oft Überforderung hervor-rufen.
Angst vor Kosten, der Pflege des Hauses, des Gartens, aber auch Befürchtungen im Zusammenhang mit Einbrüchen.
Eine Alternative zum Einfamilienhaus wäre ein verdichteter Flachbau, egal ob gereiht oder als Hofhäuser. Wesentlich sind mir, interne und externe Sichtbezüge zu öffentli-chen Bereichen, die meiner Erfahrung nach sehr geschätzt werden. Auch Eigengär-ten und kleine Terrassen für den persönlichen und privaten Rückzug bereichern die Lebensqualität.
Die Denkweise - Einfamilienhaus und rundum der Garten - ist überholt, auch die frü-heren Kulturen haben das Haus mit dem Garten und die Nachbarhäuser immer als Einheit gesehen. Die verdichtete Bauweise ist auf lange Sicht - weil ressourcenscho-nender - die ökonomisch und ökologisch bessere, sie bietet die Möglichkeit des Rückzugs, schränkt allerdings auch individuelle Repräsentationstendenzen ein.

In einer weit verbreiteten Suchmaschine des Internets kommt man auf ca. 233.000 Ergebnisse beim Begriff „cohousing“ in 0,23 Sekunden. Was ist „Co-Housing“ aus ihrer Sicht? Was ist der Ursprung?

Co-Housing ist eine Wohnform, die Anfang der 80er Jahre in Dänemark entwickelt wurde, vor allem von alleinerziehenden Frauen, die sich damit ein soziales Netzwerk geschaffen haben (Kinderbetreuung, gemeinsame Hilfestellung, wirtschaftlicheres Einkaufen, Altenversorgung, soziale Kontakte kontra Vereinsamung, …). Co-Housing ähnliche Projekte hat es auch vorher schon in Österreich gegeben.
Das wichtige beim richtigen Co-Housing ist, dass gemeinsame Aktivitäten und Hilfe-stellungen Vorrang haben, d.h. von der Kinderbetreuung über die Altenversorgung über die Einkaufsmöglichkeiten bis zum gemeinsamen Essen. Es gibt auch ver-schiedene Spezialisierungen (religiöse Co-Housing Gemeinschaften, Sport Co-Housing bis zu Luxusprojekten mit einem 4-Sterne-Koch etc.).
Einige sehr gute Studien (z.B. von Kathryn McCamant) zeigen auf – was gut, was weniger gut funktioniert hat, wie eine Anlage architektonisch angelegt sein soll, damit sie den Ideen oder Konzepten des CO-Housing entgegenkommt.
Wichtig für das Gelingen dieser Konzepte ist ein hohes soziales Niveau (im Umgang) der Bewohner.

Hatte diese Wohnform in unseren Breiten oder überhaupt in Europa schon einmal eine Verbreitung (in frühren Zeiten / Epochen)?

In wirtschaftlich schlechteren Zeiten gab es einige ähnliche Ansätze. Denken wir an die Gründerzeitbewegung Anfang des 19. Jahrhunderts, die Schrebergartenbewe-gung. In den 80-er Jahren hat in Dänemark eine Wiederbelebung dieser Gedanken stattgefunden, wo seitdem über 240 Projekte realisiert wurden.
Teilaspekte davon wurden auch bei einer Reihe von Projekten in Österreich umge-setzt. Gänserndorf I, wo auch mein Büro ist, ist ein Pilotprojekt mit starker ökologi-scher Betonung. Ich habe die Erkenntnisse aus zahlreichen Studien im In- und Aus-land in das Projekt einfließen lassen.
Co-Housing ist EINE mögliche Antwort auf die anonyme Lebensweise in den Groß-städten, aber auch eine Alternative zu den alten Dorfstrukturen. Freie Kommunikation ist eines der Hauptthemen, dazu gibt es eine Reihe von Bau-formen, die solche beleben oder behindern.

Gibt es „Basisbaumaterialien“, die Sie bei Ihren Planungen immer wieder verwendet haben und noch immer gerne verwenden? Warum?

Ich verwende bei meinen Bauten immer wieder gerne den Ziegel, z.B.: Sichtziegel, wegen seiner dauerhaften Art und dem ästhetischen Aussehen. Ziegel im Innenbe-reich hilft auch in gewissem Maß bei der Feuchteregulation. Ich versuche viele nachwachsende Rohstoffe oder praktisch unbegrenzt verfügbare Rohstoffe, deren Ressourcen nicht gefährdet sind, zu verwenden.

Benötigt die Baubranche Innovationen, falls ja welche, oder ist alles in Ordnung?

Ich glaube nicht, dass die Baubranche Innovationen benötigt. Sondern die Entschei-dungsträger brauchen Innovation, um langfristige und nachhaltige Projekte umsetzen zu können. Jede Fragestellung hat ihre Antwort, daher ist die Fragestellung was Wohn- und Lebensqualität ausmacht, so wichtig.

Wie sieht das Bauen der Zukunft (sagen wir 2040 bis 2050) aus?

Dies ist natürlich Spekulation.
Ich könnte mir vorstellen, dass vor allem im Wohnbau nicht allzu große Ballungsge-biete entstehen und Wohneinheiten Bezug zur Natur haben (Besonnung, Grünflä-chen, Terrassen etc.), soziale Kontakte entstehen können, gute öffentliche Verkehrs-anbindung besteht, energie- und umweltbewusste Bauweise mit Baustoffen, die nicht als Sondermüll von Morgen entsorgt werden müssen.




Vielen Dank Herr Architekt Deubner für das interessante Gespräch mit dem Verband Österreichischer Ziegelwerke.