Gernot Hertl: Atriumhaus
Interviewpartner ist Architekt Gernot Hertl aus Steyr, ein trotz seiner jungen Jahre vielfach ausgezeichneter Architekt. Im folgenden Interview wird die Umsetzung des eher seltenen Einfamilienhaustyps eines Atriumhauses, anhand eines realisierten Projekts in Oberösterreich, besprochen.
Die Typologie eines Atriumhauses ist in der Architektur, vor allem im Einfamilienhausbereich, eher selten. Welche Vorteile sehen Sie in dieser Typologie?
Im Einfamilienhaus ist dieser Typus zwar selten, er war aber bis vor der Verbreitung der Einfamilienhäuser in der Nachkriegszeit die vorherrschende Bauform seit Jahrtausenden. Der ursprüngliche Grund dafür liegt klarerweise in der Schutzfunktion, die introvertierte Gärten oder Freiräume bieten. Zudem erlaubt der Typus eine dichte geschlossene Bauweise mit dem Ausbilden von Straßensituationen mit Aufenthaltsqualität. Beim freistehenden Gebäude wie dem Gugler Haus in Scharten gibt es zwar den bauvorschriftsmäßigen Garten rund um das Haus, das Atrium bietet jedoch Intimität trotz völliger Öffnung der Innenräume, Windschutz, Sonnenschutz und Wärme an Sommerabenden.
Bei einem Haus in freier Landschaft vermutet man eher kein Atrium, zudem wirkt das Haus zurückhaltend im Auftritt – wie kam es zu der vorliegenden Lösung?
Einerseits steht das Haus am Ende einer Siedlungsstruktur, andererseits grenzt es an fantastischen Naturraum an. Auf beide Situationen reagiert der Entwurf – mit Einschränkung des Sichtkontaktes zur Nachbarschaft und Schutz gegenüber der Natur. Eigentlich sind es ja zwei Häuser mit einem dazwischenliegenden Freiraum, die durch einen Gang und ein Bad verbunden sind. Das ergibt ein kleines Atrium zur Belichtung von Wohnraum, Bad und Kinderzimmer sowie ein größeres Atrium, das vom Essplatz und dem Schlafbereich der Eltern umgeben ist und als Terrasse genutzt wird. Eine weitere Öffnung zur Landschaft wäre zur Belichtung nicht mehr nötig, die kleineren Fenster dienen nur den Blickbeziehungen.
Die Außenform, ebenso wie das Atrium, hat eine Polygonform, warum?
Diese Form leitet sich aus der Optimierung der Raumanordnungen um die Atrien bei gleichzeitigem Einpassen in die Topografie und auf das Grundstück ab. Atmosphärisch entsteht dadurch ein nicht ganz präziser – an Bauten aus früherer Zeit erinnernder – Eindruck, eine ‚weiche’ Erscheinung. Die erdige Anmutung wird vom lehmfarbenen Putz noch verstärkt.
Das Gebot für energiesparende Bauweise zwingt den Planer zu möglichst kompakter Bauweise. Steht diese Notwendigkeit durch neue gesetzliche Vorschriften oder durch Vorgaben der Wohnbauförderung im Widerspruch zu Bewohnerwünschen, in diesem Fall einer Lösung mit zwei Atrien? Werden mit der Verschärfung von energetischen Anforderungen solche Lösungen in Zukunft noch möglich sein?
Nach unserer Erfahrung wirkt sich die Kompaktheit eines Hauses weniger stark auf den tatsächlichen Energiebedarf aus, als dies in unseren Berechnungsmodellen – die aber Grundlage für Fördermittel sind – bewertet wird. Ich denke, es geht da einfach um Vernunft beim Bauen und das Abwägen von unterschiedlichen Vorteilen. Grundsätzlich versuchen wir, kompakte Formen zu verwirklichen, aber nicht um jeden Preis. Die Idealform stellt ja die Kugel dar, was für eine Nutzung absurd ist. Zudem ist das Bauen von freistehenden Häusern wegen der fehlenden Dichte ohnehin nicht nachhaltig. Ein weiteres Thema in dem Zusammenhang ist auch die Auswirkung der Hüllenoberfläche auf die Herstellungskosten. Dabei kann man mit konsequenten Konzepten wie der Reduktion auf wenige große Öffnungen die Mehrkosten kompensieren. Für mich steht jedenfalls Raumqualität, Licht und Wohlfühlen im Vordergrund, Energieeffizienz ist daneben einfach eines von mehreren anzuwendenden Werkzeugen der Architektur.
Welche Hülle bzw. Bauweise hat das realisierte Objekt?
Es handelt sich um einen Massivbau aus 50 cm Ziegeln, beiderseitig verputzt.
Welche Eigenschaften oder vielleicht auch Vorteile würden Sie der Ziegel-Massivbauweise zugestehen?
Ein wesentlicher Vorteil ist sicher die hohe Speichermasse. Wesentlich ist aber, die bauphysikalischen Eigenschaften eines Hauses mit dem haustechnischen Konzept in Einklang zu bringen und aus meiner Sicht die Gebäude nicht zu technisch auszustatten und damit den Wartungsaufwand zu erhöhen. Bei puren Ziegelhäusern ohne Styropor- Verpackungen sind die archaische Materialreinheit und das Vermeiden von Sondermüll-Materialien hervorzuheben.
Welche Rückmeldungen gab es nach dem ersten Jahr der Benutzung von den Bewohnern? Von Bekannten und Besuchern des Bauherrn? Wie sehen Sie Ihre Umsetzung mit heutigen Augen?
Ich habe von den Bauherren sehr positive Rückmeldungen bekommen – es ist bereits deren drittes Haus, weshalb sie schon sehr genau wissen, was ihnen wichtig ist. Von Besuchern habe ich nichts gehört, aber ich gehe davon aus, dass es wie bei jeder vom europäischen Einheits-Stil abweichenden Lösung weit gestreute Meinungen gibt. Ich denke, es ist gut, wenn ein Haus Interesse erweckt – unabhängig von Geschmäckern, die sich ja stetig verändern.
Vielen Dank für das interessante Gespräch mit dem Verband Österreichischer Ziegelwerke!