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Hans Kollhoff: Klinker – ein aufregendes Material,dauerhaft und lebendig

Der Name des international tätigen Berliner Architekten Professor Hans Kollhoff verbindet sich nicht nur mit gebauter außergewöhnlicher Klinker-Architektur, sondern auch mit der größten europäischen Baustelle - dem Potsdamer Platz.

Hier entstand das repräsentative Bürohochhaus der Daimler-Benz AG. Zusammen mit dem gegenüberliegenden Sony-Turm formuliert das Gebäude eine Torsituation zur neuen Potsdamer Straße. Der Baukörper treppt sich vom 22-geschossigen Hochhausturm ab und nimmt an der Westseite die Höhen der angrenzenden Bebauung auf. Zwischen den Gebäudeflügeln liegt im rückwärtigen Bereich ein fünfgeschossiges Atrium. Die Spitze des Turmes verjüngt sich kronenartig. Zur Fassadengestaltung setzt Professor Kollhoff Klinker ein.

 

Als Kriterium für unsere Architektur, gerade auch am Potsdamer Platz, sehen wir die europäische Stadt, das Wesen der europäischen Stadt, das auf Dauer, auf einer gewissen Permanenz der Bausubstanz beruht. In den Häusern einer Stadt haben Generationen von Bewohnern Spuren hinterlassen, manifestiert sich so die Geschichte dieser Stadt, physisch erlebbar. Wenn Gebäude jedoch bereits nach einer Generation - manchmal sogar früher - abgerissen werden, kann sich städtische Geschichte nicht länger baulich vermitteln. Die Vorstellung, dass gigantische Metropolen in Asien oder Südamerika heute gar keine Zeit haben, hinreichend dauerhafte Bausubstanz zu hinterlassen, die erst eine bauliche Tradition ermöglichen würde, diese Vorstellung ist schon beängstigend.

Ähnliches ist auch bei uns zu befürchten - allerdings aus Gründen einer zeitgenössischen Architekturauffassung, die mit ungetrübter Fortschrittsgläubigkeit einem entmaterialisierten, kurzlebigen Bauen das Wort redet. Das deckt sich mit dem Zwang zu schneller Vermarktung und der Berücksichtigung kurzer Abschreibungszeiträume. Diese Logik ist in höchstem Maße stadtzerstörerisch. Wir können es uns darüber hinaus schon aus ökologischen Gründen gar nicht leisten, schnelllebigen Konzepten das Wort zu reden. Es ist einfach ein Unterschied, ob ein Haus in 100 Jahren einmal, zweimal oder dreimal gebaut werden muss. Deshalb ist die Frage der Dauerhaftigkeit eines Gebäudes in der ökologischen Betrachtungsweise essentiell. Gleichwohl: Die Ökologie ist für mich nicht der Hauptgrund für eine dauerhafte Architektur. Der ist vielmehr in der Verantwortung für unsere europäische Kultur zu suchen, wie sie sich in der Stadt und ihren Häusern manifestiert. Deshalb spricht vieles für das Bauen mit Ziegeln oder Backstein.

 

Daimler Chrysler Hochhaus am Potsdamer Platz,
Potsdamer Platz 1,
Berlin-Mitte
Fotos: Ivan Nemec


Die Entscheidung der Bauherren für Klinker fiel am Potsdamer Platz erst nach intensiven Diskussionen und geduldiger Überzeugungsarbeit. Der Preis spielte eine entscheidende Rolle, nicht so sehr der Preis des Materials, sondern der Verarbeitung, wie wir sie an diesem Objekt realisieren wollten - handwerklich vermauert, rund 100 Meter hoch, möglichst ohne Einsatz von Fertigteillösungen. In Deutschland, in Europa gäbe es nichts Vergleichbares. Wir leisten hier Pionierarbeit. Dieselbe Fassadenfläche an einem fünfgeschossigen Gebäude vermauert, wäre in den Lohnkosten halb so teuer.
Sind wir an einem entscheidenden Punkt: Was ist teuer? Soll sich ein Gebäude schon nach einem Zeitraum von 15 Jahren amortisieren, ist eine Klinkerfassade teuer. In einem Zeitraum von 50 Jahren wird sie interessant und rechnet sich. Billigere Lösungen haben dann schon eine Fassadensanierung hinter sich oder sogar eine Neuerstellung.


Sie haben einmal den Vorwurf ausgesprochen, unsere Gesellschaft sei nicht mehr der Wertschätzung solider Häuser fähig.

Wer hat heute Zeit, sich das gebaute Haus wirklich anzuschauen? Wer hat überhaupt einen Blick für Materialien? Moderne Baustoffe sind in der Regel überzogen mit Beschichtungen, die eine entmaterialisierende Wirkung haben. Eine handwerklich hochentwickelte Materialvielfalt droht sich unter einer grau-gelblichen synthetischen Masse zu verflüchtigen. Hinzu kommen Gesetzmäßigkeiten der maschinellen Produktion, die das Erscheinungsbild nicht immer vorteilhaft beeinflussen, und verschärfte Vorschriften, die auf bloße Haltbarkeit abzielen - auf physische, nicht unbedingt gebrauchsfähige oder gar visuelle Haltbarkeit. Der Blick für Qualität des Bauens wird dabei allmählich getrübt.
Das damit einhergehende Sinnlichkeitsdefizit wird kompensiert durch massenweise Bildproduktion, die uns Lebenswirklichkeit suggeriert. Die Konsumenten konzentrieren sich auf Bilder. Es gibt nur wenige, die sich dem visuellen Müll entziehen, um sich wieder ihrer fünf Sinne zu erinnern.


Wohnbebauung KNSM-Ei-land
Östliches Hafengebiet, Amsterdam
Fotos: Schwendinger & Büttner, Zürich


Wenn Sie von der Qualität des Bauens sprechen - welchen Stellenwert messen Sie dem Backstein, dem Vormauerziegel und Klinker zu, einem Material, das zahlreiche Ihrer Bauten prägt?

Wir wissen aus Erfahrung, dass der Klinker ein guter Baustoff ist, auch für den sozialen Wohnungsbau. Deshalb stehen wir heterogenen, einseitig technisch-ökonomisch optimierten Konstruktionen eher skeptisch gegenüber. Vielmehr bevorzugten wir das, was Mies van der Rohe ‘Struktur’ genannt hätte: ein Gebäude, das konstruktiv und in seinem Ausdruck klar aufgebaut ist. Das ist mit Klinker geradezu zwangsläufig, und wenngleich er heute nahezu ausschließlich als Vormauerung eingesetzt wird, kommt man doch aufgrund seines Moduls, des Maßsystems, das er ins Bauen einbringt, dem architektonischen Strukturbegriff wieder näher. Das hat uns gereizt - auf diesem Wege sind wir konsequent weitergegangen und haben Projekte realisiert, die dieses Potential von der kubischen Großform bis zur gegliederten Fassade auszuschöpfen suchten.


Das Farbspektrum der Klinker ist vielfältig. Auf Ihre Bauten bezogen, konzentriert sich das meist auf den roten, dunkelroten oder blaubunten Klinker.

Das ist sicher eine unserer Vorlieben, weil es uns um die Stärkung des Volumens geht und um die Präsenz des Hauses in der Stadt. Masse, Körperlichkeit eines Hauses kommt mit einem blaubunten Klinker prägnanter zum Ausdruck als mit einem hellroten oder gelben. Mit einer gut gelungenen blaubunten Farbigkeit wirkt der Baukörper wie Stahl. Es gibt Klinker, die mit der Zeit eine rostige Patina annehmen. Eine wesentliche Rolle spielt in diesem Zusammenhang auch die Ausbildung der Fuge und die Farbe des Fugenmörtels. Wir bevorzugen eine tiefliegende Verfugung mit anthrazitfarbenem Mörtel. Das unterstreicht den monolithischen Eindruck.


Main-Plaza,
Hochhaus am Deutschherrnufer,
Frankfurt am Main
Fotos: Ivan Nemec


Ihre Objekte scheinen in der Fassade sehr zurückgenommen - ohne Schnörkel und ohne Dekoration. Bringt der Ziegel aus sich heraus Lebendigkeit in die Fassade?

Ich glaube, der Mauerwerksverband ist dabei das entscheidende Element. Wichtig ist, ob die Oberfläche sehr ausgeglichen sein soll, oder ob eine Richtung betont werden soll, das Haus also optisch gestreckt oder gestaucht werden soll. Wenn ein lebendiges Farbspiel mit industriell produzierten, hart gebrannten Klinkern beabsichtigt ist, wäre der Kopfverband anzuraten.

Mit der Wahl des Steines und des Verbandes ist es allerdings noch nicht getan. Wer Backstein einsetzt, braucht gute Handwerker. Unsere Objekte waren immer ein Anreiz für gute Handwerker. Zu Anfang gibt es meist Widerstand - die Gliederung zu kompliziert, die Steine zu krumm, nicht zu vermauern. Dann lässt man sich aber doch darauf ein, und sind die ersten Quadratmeter erst einmal gemauert, fängt die Arbeit an, Freude zu machen, und wenn das Haus fertig ist, sind alle stolz darauf.