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Georg Spiegelfeld: Nachhaltige Altbausanierung

Das heutige Enns begann auf den Ruinen des römischen Lauriacum zu wachsen. Anstelle der alten Ennsburg - welche langsam zerfiel - wurde begonnen, das Schloss Ennsegg zu errichten. Nach der Schlacht von Ebelsberg fanden zwischen dem 4. und 6. Mai 1809 heftige Kämpfe an der Ennsbrücke statt; Napoleon war dabei im Schloss Ennsegg für drei Tage einquartiert. Marie Louise, seine künftige Gattin, nächtigte auf ihrem Weg nach Paris ebenfalls im Schloss Ennsegg. Im Herbst 2001 ist im Schloss eine der schönsten Musikschulen des Landes Oberösterreich eingezogen, und ein Teil der Gemeindeeinrichtungen wird folgen. Für Bauherrn und Bauträger ein Gewaltakt, aber nicht der erste dieser Art. Auch die Schlösser Tillysburg und Parz wurden auf solche Weise aus ihrem Dornröschenschlaf geholt. Der Prinz, der sie wach küsste, ist Denkmalpfleger.


 

Nachfolgendes Interview wurde vom Verband Österreichischer Ziegelwerke mitHerrn Graf Dr. Georg SPIEGELFELD als Bauherrn geführt.

 


Stellen Sie uns bitte kurz Ihre Person und Ihre umfangreiche Tätigkeit bei der Renovierung von Schlössern vor.

 

Über ein ererbtes altes Schloss, das Schloss Schlüßlberg, welches sich damals in einem sehr schlechten Zustand befunden hat, bin ich von der Land- und Fortwirtschaft bzw. der Juristerei<span > zur<span > Bauträgerei gekommen. Auf Grund dieses ersten vorgegebenen Projekts bin ich im Bereich der Altbausanierung tätig geblieben. Meine Tätigkeit ist jedoch nicht auf Schlösser beschränkt, denn zwar sind große Gebäude vielfach Schlösser, es kann aber zum Beispiel auch ein Gasthof sein. Primär geht es um den wertvollen Altbestand, der sehr oft unter<span > Denkmalschutz steht. Wobei für mich Denkmalschutz ein Ausdruck der Wertigkeit eines Gebäudes ist - und keine Belastung. Geprägt bin ich von meinen Wurzeln, die in der Forstwirtschaft liegen; dort spielt die Nachhaltigkeit als Bewirtschaftungsform eine ganz große Rolle. Der Baum braucht nun einmal 100 Jahre, bis er gewachsen ist. Aus diesem Gefühl heraus ist die Sanierung und Erhaltung eines denkmalgeschützten Gebäudes eine sehr nachhaltige Tätigkeit. Ich glaube, das Thema Nachhaltigkeit wird eines der größten Wirtschaftsthemen der Zukunft sein. Alle kurzfristigen Rezepte führen schlicht und einfach nicht zum Erfolg, dies ist ja an vielen Beispielen zu sehen.

 

Es gibt für mich sehr wohl den Alterswert eines Ziegels, und das macht für mich den großen Unterschied in der Wertigkeit eines Baustoffs aus, zum Beispiel im Vergleich zu den berühmten eingeschäumten Baustoffen. Worin besteht der Alterswert von Schaumstoff, außer dass er Sondermüll ist? Aus dieser Philosophie heraus ist der Ziegel ein so wertvolles Produkt.

 

 


Sie sanieren oder sanierten und verwalten inzwischen viele derartige Objekte. Welche Voraussetzungen müssen Sie berücksichtigen?

 

Man wird nie fertig. Wenn ein Baustoffvertreter sagt: Dies ist eine Farbe für die Ewigkeit - davon muss man sich verabschieden. Ich muss mich damit abfinden, dass es hier einmal Ausblühungen gibt, dass dort ein Stück Putz erneuert werden muss,usw. Nach der Renovierung 20 Jahre auf Tauchstation<span > gehen, funktioniert nicht. Übrigens geht das auch im Neubaubereich nicht, wir sehen das zum Beispiel bei den Bauten der 60-er und 70-er Jahre sehr gut. Finde ich mich damit ab, nicht für die Ewigkeit zu sanieren, so kann ich viel sparen. Nehmen wir die Sanierung des Putzes in Schloss Ennsegg. Putze aus verschiedenen Epochen, teilweise bis 300 Jahre alte Kalkputze, wurden (wo dies möglich war) auf den Ziegelwänden belassen.

 

Dadurch sind die Gesamtkosten der Putzarbeiten sehr viel geringer. An den Putzanschlüssen gibt es möglicherweise Ausblühungen oder Risse. Die notwendige Wartung in den Folgejahren ist durch die vorangegangene Kostenersparnis leicht wieder möglich. Übrigens ist noch ein Punkt sehr wichtig: Die Restaurierung geht nur im Team, und das Team beginnt beim Hilfsarbeiter und geht bis zum Bauleiter und darüber hinaus. Die Arbeit ist zwar schwer, aber gerade Schloss Ennsegg hat gezeigt, dass durch die Teamarbeit und die „Denkarbeit" aller ausführenden Personen bei der Renovierung die Arbeitszufriedenheit außerordentlich hoch ist. Wir stehen bei der Sanierung von Schloss Ennsegg bei Gesamtsanierungskosten von 1.090.- EUR/m2<span > bis 1.163,- EUR/m2<span > exkl. MwSt. - und das in einer Situation, wo die Substanz durch 3O-jährige Nichtnutzung schwerst angegriffen war.

 


Sie sind Präsident des Vereins für Denkmalpflege. Wie wichtig ist aus Sicht dieser Funktion das Baumaterial?

 

Der Verein Denkmalpflege beschäftigt sich mit der Publizierung der Denkmalpflege und mit der Erweckung des Verständnisses für die Denkmalpflege an sich, aber auch mit der Bildung von Verständnis für den Eigentümer eines Denkmals. Allein in Oberösterreich gibt es tausende Denkmäler. Der Schwesterbegriff zur Denkmalpflege ist die Reversibilität. Sämtliche Dinge die man an einem Denkmal tut und an- oder beifügt, sollen reversibel sein und bleiben. Hier ist das Baumaterial Dachziegel ein ganz wichtiger Punkt. Dachziegel sind die klassische reversible Geschichte: einhängen - aushängen. Der Dachziegel bringt der Substanz einen sofortigen Nutzen. Ein Betondach mit Trägern und dergleichen ist im Gegensatz dazu meist nicht mehr reversibel. Auf den Ziegel kann man im Sinne der Reversibilität ruhig ein Loblied singen.

 


Es ist eine reine Freude anzuschauen, wie dieses schöne große Ziegelbauwerk Schloss Ennsegg in neuem Glanz erstrahlt. Spielt der Baustoff (Wände, Dach,...) bei Ihren Projekten eine Rolle?

 

Natürlich sind Baustoffe eine wichtige Sache. Die Industrie ist dabei ein wichtiger und guter Partner. Es wird viel geforscht und verschiedene Produkte angeboten. Wir sehen das bei der Denkmalmesse in Leipzig. Es gibt eine Reihe von guten Produkten, auch im Sinne der Denkmalpflege, und Ziegel in ihren unterschiedlichen Formen gehören sicher dazu.

 

Wenn ich jetzt zurückhöre und 30 Jahre zurückdenke, hat fast jeder gesagt, dass ein Tondachziegelwerk ein Auslaufmodell ist, weil es jetzt so viele neue tolle Materialien gibt, die es ersetzen können. Heute ist aber das Gegenteil der Fall. Der Tondachziegel erlebt aus meiner Sicht eine Renaissance. Das Wohlfühlen wird immer mehr zu einem Thema. Angebote zu diesem Thema gibt es viele. Man kann auch so rangehen und sagen: Ich halte mich an vorhandene Substanzen, ich arbeite mit guten Materialien - die Jahrhunderte lang erprobt sind - und ich verschließe mich nicht einer alten Bautradition. Damit lande ich wieder beim Ziegel.

 


Der einzige österreichische Hersteller von Tondachziegeln -Tondach Gleinstätten - bietet eine große Vielfalt von Tondachziegeln für den Sanierungsbereich an. War dies ein Grund für die Verwendung von ca. 90.000 Stück Tondachziegel Biber Rundschnitt für die Ausbesserung und Neudeckung der Dachflächen beim Schloss Ennsegg?

 

Wir haben beim Schloss Ennsegg mit ca. 3.000 m2<span > Biber Rundschnitt neu eingedeckt und ergänzt, auch unter Verwendung verschiedener Spezialformate. Tondach Gleinstätten hat eben einen blendenden Ruf und ist ein sehr flexibles Werk. Die Leute waren jederzeit bereit, Schützenhilfe und Ratschlag zu geben. Es besteht eine sehr positive Zusammenarbeit, und Tondach Gleinstätten hat es verstanden, Kundenvertrauen in ihr Produkt zu erzeugen. Ich traue mir zu sagen, dass dieses Dach dort länger und perfekter halten wird als viele andere Dachmaterialien. Aus diesem Gefühl heraus geht man mit einem guten Gewissen in diese Deckungsform hinein.

 


Noch eine Frage zur Denkmalpflege. Sieht man etwas genauer hin, bemerkt man das Fehlen einer Ortgangverblechung, fallen einem die komplett gemauerten Kamine und die sogenannte Kronenschar im Firstbereich auf. Spielt die möglichst realgetreue historische Nachbildung eine große Rolle bei der Sanierung?

 

Es geht um die historische Nachbildung, und es ist mir bewusst, dass der Pflegeaufwand kommen wird, aber Verblechungen kosten auch viel Geld in der Herstellung. Die traditionelle Bauform ist immer von vornherein von einer laufenden Instandhaltung ausgegangen.

 


Die Tondächer von Graz sind ein Weltkulturerbe. Würde es Sie reizen, zum Beispiel einmal glasierte Tondachziegel für die Sanierung einzusetzen?

 

Graz ist sicherlich ein Musterbeispiel für gute Renovierung, und hier ist die oben erwähnte Nachhaltigkeit Stand der Technik bei der Sanierung von Dächern. Der glasierte Tondachziegel ist eine Zeiterscheinung. Hier kommt es darauf an: Bei einer Jahrhundertwendevilla würde ich ihn einsetzen, aber bei einem barocken Schloss hat er aus Gründen der historischen Entwicklung nichts verloren. Ich habe schon einmal bei einer Villa in Ouedlinburg (Sachsen Anhalt, Deutschland) glasierte Tondachziegel - in Auflage des Denkmalamtes - verwendet. Ideal ist es, wenn das Produkt am Markt ist und wenn man dann das für den jeweiligen Fall passende Produkt wählen kann. Dabei ist Tondach Gleinstätten mit dem umfangreichen Neu- und Sanierungsprogramm ein sehr guter Ansprechpartner.

 


Gibt es schon weitere Projekte?

 

Das Schloss Aurolzmünster ist das nächste Großbauvorhaben. Das Dach wurde schon mit Wiener Tasche gedeckt. Im späten Frühjahr oder im Sommer geht es los. Die Substanzsicherung und die Hüllensanierung erfolgt möglicherweise zu einem Zeitpunkt, an dem die Nutzung noch nicht feststeht. Das ist auch der große Vorteil einer einfühlsamen Sanierung ohne große Grundrissveränderungen. Bei den Räumen in Schlössern gilt folgende Regel: Steht ein Bett in einem Zimmer, ist es ein Schlafzimmer;<span > steht ein Schreibtisch drinnen, ist es ein Büro. Damit ist man recht flexibel. Wenn man soziale Wohnbaugrundrisse darin verwirklichen will, wird das nicht funktionieren.

 


Wenn Sie Wünsche frei hätten ...?

 

Erstens wünsche ich mir Flexibilität in den Fördermechanismen, die auf hochwertige Altbauten Rücksicht nehmen. Starre Quadratmeter-Regeln in der Wohnbauförderung sind für die Denkmalpflege nicht von Nutzen. Dadurch wird zum Beispiel ein Abstellraum aus einem barocken Salon herausgeschnitten - weil eben ein Abstellraum vorgeschrieben ist. Wünschenswert wäre ein Abkehr von den Quadratmeter-Denkweisen zu Raum-Denkweisen.

 

In meinem zweiten Wunsch geht es um die Wertigkeit des Denkmals, um die Heranführung der ideellen Werte an die wirtschaftlichen Werte. In den Bewertungsrichtlinien gilt heute nur noch der Reinertrag nach Betriebskosten. Vor 20 bis 30 Jahren hat sehr wohl noch die Substanz in der Bewertung eine Rolle gespielt. Zum Beispiel der Stephansdom hat höchsten ideellen Wert, aber ohne Spenden wäre er wirtschaftlich nicht überlebensfähig. Die Themen Werterhaltung und Nachhaltigkeit müssen beachtet werden, nur so ist eine Heranführung der ideellen an die wirtschaftlichen Werte möglich.

 


Wir wünschen für die Umsetzung Ihrer interessanten Projekte viel Erfolg und bedanken uns für das Interview!