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Bild des Architekten

Hansjoerg Tschom: Konsequentes Bauen mit Ziegel

Univ. Prof. Dr. Hansjoerg Tschom ist nicht nur Vorstand des Institutes für Städtebau an der Technischen Universität Graz, sondern führt gleichzeitig auch eines der größten Planungsbüros in der Steiermark – mit dem Spezialgebiet Wohnbau. Fast alle der von Prof. Tschom geplanten Wohnbauten werden in klassischer Ziegel-Massivbauweise errichtet.

 

Vom Verband Österreichischer Ziegelwerke wurde das nachfolgende Interview mit Prof. Tschom geführt, um herauszufinden, was seine Beweggründe sind, im Wohnbau konsequent auf den Baustoff Ziegel zu vertrauen.


Herr Prof. Tschom, Sie leiten hier an der TU Graz das Institut für Städtebau, betreiben eines der größten Planungsbüros in der Steiermark und sind nebenbei auch noch Initiator und treibende Kraft des Wohnbauprogrammes 1999-2003 in Zusammenarbeit mit der Wohnbauförderungsstelle und dem Landesrat für Wohnbau der Steiermärkischen Landesregierung sowie allen gemeinnützigen steirischen Wohnbauträgern. Wie macht das "der Tschom"?

Das frage ich mich auch manchmal! Aber im Ernst, ich bin aus Begeisterung und Leidenschaft Architekt. Der Wohnbau reizt mich deswegen besonders, weil er – meiner Meinung nach – die schwierigste Aufgabe in der Architektur darstellt. Die vielen verschiede-nen Aufgaben, die ich habe, ergänzen sich wunderbar: die theoretischen Erkennt-nisse aus der Forschung fließen in die Lehre und in meine Planungstätigkeit ein, andererseits ist natürlich mein Planungsbüro eine wesentliche Grundlage, damit ich meine Studenten mit Praxisbezug unterrichten kann. Ich habe schon oft überlegt, die eine oder andere Tätigkeit aufzugeben, aber im Endeffekt kann ich auf diese spannenden Wechselwirkungen nicht verzichten. Ein wesentlicher Faktor für den Erfolg ist auch die Tatsache, dass für mich der Beruf Hobby ist, so gesehen habe ich in meinem Leben "noch nie gearbeitet". Schließlich möchte ich noch darauf hinweisen, dass ich nicht allein bin, sondern sowohl auf der Universität als auch in meinem Büro tolle Mitarbeiter-Teams habe. Alle meine Mitarbeiter sind eher schwierige Menschen, da sind wir uns durchaus ähnlich, aber gerade das stellt auch eine enorme Herausforderung und Chance dar.


Was sind die Zielsetzungen des auf drei Jahre angelegten Wohnbauprogrammes und was war Ihre Motivation, dieses Projekt zu starten?

Mit diesem Projekt soll ein Basis für den europäischen Wohnbau der nahen Zukunft geschaffen werden, der in der Lage ist, den gesellschaftlichen Veränderungen Rechnung zu tragen – der derzeitige Wohnbau ist dazu nicht in der Lage. Ich meine damit insbesondere die Informationsrevolution – Stichwort Tele-Working – , die zunehmende soziale Isolation – Stichworte Altenanteil an der Gesamtbevölkerung bzw. Single-Haushalte – , die die Schaffung neuer Sozial- und Infrastrukturnetze erforderlich macht oder die steigende Zahl von Doppelverdiener-Haushalten. All dies bedeutet, dass wir gefordert sind, im Wohnbau völlig neue Strukturen zu entwickeln. Ich habe mich mit dieser Problematik erstmals bereits in den Jahren 1970 und 1975 im Rahmen von Forschungsprojekten beschäftigt, aber offensichtlich war damals die Zeit noch nicht reif. Da mir dieses Thema jedoch besonders wichtig ist, haben wir – damit meine ich mein Wohnbau-Team am Institut – im vergangenen Jahr einen neuen Anlauf genommen und das Steirische Wohnbauprogramm gemeinsam mit der Stmk. Landesregierung und den gemeinnützigen steirischen Wohnbauträgern gestartet.


Welche Rolle spielt bei all Ihren vielfältigen Aktivitäten das Thema Baustoffe?

Prinzipiell eine sehr große Rolle, wenngleich ich leider feststellen muss, dass oftmals das wichtigste Entscheidungskriterium bei der Auswahl der Baustoffe der Preis ist, die menschlichen Sinne finden meist zu wenig Berücksichtigung. Meiner Meinung nach muss Architektur sinnlich sein und diese Sinnlichkeit hängt auch eng mit den Baustoffen zusammen. Schließlich ist die Hülle des Gebäudes sozusagen die dritte Haut des Menschen. Der Mensch ist prinzipiell auf Spannung, auf Gegensätze aufgebaut, daher sollte auch die Architektur diese Gegensätze – Reiz + Ruhe, Offenheit + Schutz – bieten. Natürlich hängt dies auch mit der Funktion des Gebäudes eng zusammen, gerade im Wohnbau erscheint mir die Beachtung dieses Prinzips jedoch besonders wichtig.


Fast alle der von Ihnen geplanten Wohnbauten wurden und werden in Ziegelbauweise errichtet. Was sind Ihre Motive – insbesondere im Wohnbau – auf diese traditionelle Bauweise zu vertrauen?

Die verschiedenen Materialien haben unterschiedliche Bedeutung, je nachdem was ich erzielen will. Meine Bauten bestehen im Regelfall zu etwa 70% aus Ziegel, der Rest ist meist Holz oder Stahl und Glas. Der Ziegel ist für mich das Element für die Ruhe, für den Schutz und die Geborgenheit, während ich beispielsweise Glas einsetze, um optischen Reiz und Offenheit zu erzeugen. Auch preismäßig liegt nach meinen Erfahrungen der Baustoff Ziegel sehr günstig, was natürlich angesichts der knappen Mittel, die uns heute im Wohnbau zur Verfügung stehen, ein gewichtiges Argument darstellt. Schließlich kommt auch von den Wohnbauträgern sehr stark der Wunsch nach dem Ziegel, weil offensichtlich die Benutzer, die künftigen Bewohner dieses Material wünschen. Jedenfalls ist der Ziegel für mich ein absolut zeitgemäßer Baustoff.


Das Thema Niedrigenergiehaus ist derzeit allgegenwärtig. Traditionelle, bewährte Bausysteme werden zunehmend durch neue Bauweisen, deren Tauglichkeit in der Baupraxis noch abzuwarten sein wird, ersetzt. Oftmals handelt man sich mit diesen Neuerungen Probleme in anderen Bereichen – Stichwort Ökologie – ein. Was ist Ihre Meinung zu diesem Problem?

Ich bin zu diesem Thema zwar kein Spezialist, meine aber doch, dass hier oft zu einseitig gedacht wird. Der entscheidende Punkt ist doch wohl der gesamte Energieverbrauch eines Haushaltes; das Passivhaus, weitabgelegen und verbunden mit langen Arbeitswegen, ist auch nicht die ideale Lösung. Wichtig ist meiner Meinung nach ein sinnvoller, gesamtheitlicher Ansatz, eine relativ hoch verdichtete Architektur mit geringen "Verkehrsnot-wendigkeiten". Außerdem ist bei einer energetischen Betrachtung nicht nur der Winter, sondern auch die Situation im Sommer zu berücksichtigen. Die Wärme- speicherfähigkeit massiver Baustoffe kann hier auch ohne technische Hilfsmittel (Klimaanlagen) ein angenehmes Raumklima schaffen. Wenn all dies berücksichtigt wird, dann spielt der k-Wert der Wand nicht mehr die zentrale Rolle, die ihm heute oft gegeben wird.


Wo sehen Sie die Zukunftschancen des Baustoffes Ziegel, wohin sollte sich Ihrer Meinung nach diese Bauweise entwickeln?

Meiner Meinung nach wird der Ziegel auch in Zukunft ein ganz wichtiges Bau-material im Wohnbau bleiben. Die Aufgabe für die Ziegelindustrie wird es sein, die Anforderungen an Wärmedämmung einerseits und Speichermasse andererseits unter einen Hut zu bringen und das mit einer Gesamtwanddicke von nicht mehr als 30 cm. Dünnere Wände erscheinen mir nicht sinnvoll, weil sie dem Menschen gefühlsmäßig zu wenig Schutz bieten ("thick wall pattern"). Eine Ziegel-Wandkonstruktion mit z.B. einer 17 cm dicken schweren Innenschale für Statik, Schallschutz und Speicherung und einer höchstporosierten 12 cm dicken Vorsatzschale für die Dämmfunktion könnte eine ideale Lösung für die Zukunft sein.

 

Herr Prof. Tschom, vielen Dank für das Gespräch!